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Die Torsperre

Hamburgs Stadtwappen trägt das geschlossene Tor der wehrhaften freien Stadt. Auch wenn es mit der Wehrhaftigkeit nie so weit her war, waren die vier Stadttore in den Festungswällen doch regelmäßig geschlossen. Des Nachts, aber auch zur Zeit der Predigten an Sonn- und Feiertagen (bis 1784), während aller Rats- und Bürgerschaftssitzungen, während Exekutionen und bei Ausbruch von Feuer (bis 1784) schlossen sich die Tore. Wer dann noch kam, durfte nicht mehr passieren.

1798 wurden zunächst am Steintor, von 1800 und 1814 an auch an allen anderen Toren Sperrzeiten eingeführt, zu denen man wenigstens gegen eine Gebühr passieren durfte. Von da an musste derjenige, der nach der Torsperre die Stadt betreten wollte, 2 bis 16 Schillinge bezahlen, gestaffelt nach Zeit und abhängig davon, ob man zu Fuß oder mit Pferd und Wagen passieren wollte. Angeblich konnte Hamburg aus diesen Einnahmen von insgesamt mehreren hunderttausend Talern die wichtigsten städtischen Kosten bestreiten.

Toresschluss war bei Einbruch der Dunkelheit, im Winter daher schon um 16:30 Uhr. Betroffen waren dann vor allem Arbeiter, die bei wachsender Stadt zunehmend vor den Toren wohnten. Aber auch der Besuch von Wirtschaften in den Vorstädten oder eine Fahrt zu den Landhäusern und Gärten vor dem Dammtor waren dann erschwert. Wenn die Sperrzeit nahte, war das Millerntor das am meisten belagerte. Hastiges Gedränge gab zu manchem Ärgernis Anlass.

Spottbild auf die Torsperre aus dem Jahre 1848, Steinzeichnung von F. Wurzbach

Neben der Thor-Gebühr war beim Passieren die Akzise zu entrichten, eine Art Steuer auf Verbrauchsgüter, vor allem auf Grundnahrungsmittel, die sich innerhalb der Stadt entsprechend verteuerten. Genauso ärgerlich war die Arbeit der Zunfttorwächter, die an den Toren darauf achteten, dass insbesondere aus den Vorstädten St. Georg und St. Pauli keine Handwerkserzeugnisse eingeführt wurden.

Das Altonaer Thor ohne Jahresangabe, J. Sander

Das Holstenthor ab 1859, J. Gottheil

Am 9. Juni 1848 brach auch in Hamburg eine kleine Revolution aus. Nach dem in St. Georg abgehaltenen Lämmermarkt stürmte eine große Menschenmenge die Wache am Steintor und setzte mit Brennmaterial aus dem Lämmermarktsbuden die Wache und das Akzisegebäude in Brand. Die Feuerwehr wurde zunächst am Löschen gehindert. Erst das Bürgermilitär konnte dann – ohne Blutvergießen – die Menge zerstreuen und die Löscharbeiten ermöglichen.

Der Lämmermarkt zu St. Georg, Zeichnung von Chr. Förster

Das brennende Steintor am 9. Juni 1848, Lithographie von Peter Suhr

Mandat vom 13. März 1848

Der organisierte Widerstand, vor allem durch die inzwischen gegründeten ersten Bürgervereine, hatte Erfolg: Am 31. Dezember 1860 um 05:30 Uhr wurde die Torsperre aufgehoben. Sperrtafeln und Sperrglocken wurden sofort entfernt. Von den in öffentlicher Auktion verkauften Sperrglocken gingen zehn nach Süd-Afrika in die Hermannsburger Missionsstationen.

Wo kann’t angahn. Aufhebung der Thorsperre in Hamburg am 31. December 1860, Zeichnung von Robert Geißler


Autor: Michael Weidmann