Vorgeschichte: Hamburg brennt!

5. Mai 1842. Gegen 1 Uhr nachts bricht im Hinterhaus Deichstraße 42 aus ungeklärten Gründen Feuer aus. Bei starkem Südwestwind verbreitet sich das Feuer bis zum Jungfernstieg, wo die Binnenalster eine natürliche Grenze bildet. Das Feuer ergreift aber auch die östliche Stadtfläche und kommt hier Dank der Wallringhöhe am Glockengießerwall zum Erlöschen.

In den folgenden drei Tagen legt das Feuer ein Drittel der Altstadt in Schutt und Asche. Betroffen sind 71 Straßen. Vernichtet werden 1.749 Häuser, 1.508 Säle, 474 Keller, 488 Buden, 9 Ställe, 7 Gotteshäuser, 102 Speicher, zahlreiche öffentliche Gebäude und die Alstermühlen. 51 Menschen sterben, 120 werden verletzt, 20.000 werden obdachlos (bei einer Gesamtbevölkerung von 159.800 einschließlich der Vorstädte).

Ein Viertel der Altstadt fällt in Schutt und Asche. Zu den zerstörten Gebäuden gehören St. Nikolai, St. Petri, die Zuchthauskirche, die Spinnhauskirche, die St. Gertrudenkapelle, zwei Synagogen, Banken, die Alte Börse und viele mehr. Menschenmassen in Panik und Schaulustige behindern die Löscharbeiten. Plünderungen und Ausschreitungen kann die Bürgergarde nur mit Waffengewalt entgegentreten. Die Zerstörungswut des Mobs übertrifft sogar noch die Beutegier.

Hamburg stehen 31 große und 5 kleine Löschspritzen zur Verfügung, dazu 11 Schiffspritzen. Im Dienst sind 1.150 Feuerwehrleute und Feuerhelfer. Es hat lange nicht geregnet, der Wasserstand in den Fleeten ist niedrig. Der Feuerwehr fehlen Organisation und Disziplin. Einige Löschtrupps löschen in Wein- und Spirituosenlagern vor allem den eigenen Brand und irren weinselig und in guter Laune durch die Stadt. Der optische Telegraph ruft Feuerwehren aus Altona, Blankenese, Wedel, Lübeck, Kiel, Lauenburg, Stade, Harburg und Wandsbeck zu Hilfe. Auch Schaulustige werden an die Sprützen gezwungen.

Die alten Spritzenleute, Lithographie von J. Scheidei

Der Vorschlag von Spritzenmeister Adolf Repsold Häuser als Schneisen zu sprengen, wird zunächst abgelehnt. Bürgermeister Benecke entscheidet dann aber doch die Sprengung des Niedergerichts und der Kämmerei neben dem Rathaus und schließlich des 500 Jahre alten Rathauses selbst, um den Flammen Einhalt zu gebieten. 800 Pfund Pulver zerstören es innerhalb weniger Minuten, bringen aber nicht den gewünschten Effekt und verhindern nur noch, dass das Feuer auf das Katharinenkirchspiel übergreift. Sprengungen am Graskeller retten die Neustadt, Sprengungen am westlichen Jungfernstieg den Gänsemarkt.

Am 6. Mai werden die Häuser am Jungfernstieg gesprengt, Lithographie von Peter Suhr

Die Neue Börse war erst im Dezember 1841 eingeweiht worden. Man glaubte sie nun verloren, kann sie dann aber im letzten Moment retten. Sie wird zum Hoffnungsträger des Wiederaufbaus und zum Symbol der kommerziellen Wiedererstarkung unserer Stadt.

Die Neue Börse besteht inmitten der Flammen, Steinzeichnung von Otto Speckter

Die Neue Börse um 1846, Lithgraphie von Ludwig Eduard Lütke

Der entstandene Schaden betrug 135 Millionen Hamburgische Mark, was mehr fast einer Milliarde Euro entspricht. Von den Gebäudeschäden (35 Millionen Mark) und den Kaufmannsgütern, Handelsgüter und Hauseinrichtungen (58 Millionen Mark) erstatteten die Versicherungen einen Teil, allein die Hamburger Feuerkasse 38 Millionen Mark. Drei Versicherungsgesellschaften gingen durch den Großen Brand Konkurs.

Aus der ganzen Welt kamen Spenden für Hamburg, insgesamt fast 7 Millionen Mark. Preußen lieferte 20.000 Brote und 2.000 Wolldecken. Das dänische Altona lieferte zwei Wochen lang täglich 1.000 Portionen warmer Suppe. Vor allem aber fanden viele Menschen in den umliegenden Städten Unterkunft und Versorgung.

Es dauerte lange, bis unsere Stadt im Brandschutz Lehren aus dem Hamburger Brand zog. Zu stark waren zunächst noch die entgegenstehenden wirtschaftlichen Interessen einzelner Ratsmitglieder. Erst 30 Jahren später (1872) entschloss man sich zur Gründung einer Berufsfeuerwehr. Erst 1868 verpflichtete man die Hausbesitzer zur Zwangsversicherung bei der Hamburger Feuerkasse. Erst 1871 wurde eine Feuertelegraphenleitung mit 46 Sprechstellen und 48 Meldestellen gelegt.

Hamburgs Feuerwehrleute nach 1859, Lithographie von Heinrich Jessen

Aber – die Erfahrungen des Hamburger Brandes prägten das Bürgerinteresse und die bürgerliche Mitverantwortung der kommenden Jahrzehnte.

Der Johannisplatz, bebaut von den Abgebrannten, Lithographie von H. Jessen

Hülfswohnungen am alten Jungfernstieg, Lithographie von Peter Suhr

Entwurf zum Aufbau des abgebrannten Theiles der Stadt Hamburg

 

Autor: Michael Weidmann