Kategorie: Geschichte der Bürgervereine 2

Neuntes Kapitel: Wandsbeck

„In den ersten Monaten des Jahres 1848“ heißt es in den vorliegenden Unterlagen, wurde der Wandsbecker Bürgerverein als „Neuer Bürgerverein“ gegründet. Das genaue Gründungsdatum ist nicht zu ermitteln, auch nicht die Namen der ersten Vereinsführung, vermutlich sind die Gründungsprotokolle nicht erhalten. Auch in den Unterlagen der hamburgischen Bürgervereine ist dieser Verein nicht verzeichnet, weil Wandsbeck weder zur Stadt Hamburg, noch zum hamburgischen Landgebiet gehörte. Heute jedoch gehört Wandsbek unabdingbar zu unserer Stadt und der Wandsbeker Bürgerverein von 1848 verdient einen bedeutenden Platz in der gemeinsamen Geschichte.

Das Schloß in Wandsbeck bei Hamburg um 1835, Johann Christian Carsten Meyn

Wandsbek war im Jahre 1848 ein Flecken mit etwa 4000 Einwohnern, die zum größten Teil in Manufakturen arbeiteten. So weiß man, dass auch die 18 Gründer des Bürgervereins zum größten Teil aus handwerklichen Berufen kamen, daneben beteiligten sich drei Kaufleute, zwei Wirte und ein Schriftsteller an der Vereinsgründung.

Hamburg-Wandsbecker Trab-Rennen 1841, unbekannter Künstler

Das dänische Heer schlug 1848 bis 1850 die sogenannte „Schleswig-Holsteinische Erhebung“ nieder, an der sich auch Wandsbecker beteiligt hatten. Es wird vermutet, dass der neugegründete Bürgerverein Repressalien fürchtete, wenn er sich allzu politisch engagierte, so dass er sich zunächst still verhielt und seine Aktivitäten 1851 vor allem auf das soziale Gebiet verlegte. 1853 bestand die Vereinsführung aus dem Krämer Ehrenström und dem Lehrer Eckermann.

Nach und nach kam die Kommunalpolitik zu ihrem Recht, namentlich als Wandsbek Garnison wurde. Schule und Krankenhaus, Sielanschluss und Wasserversorgung brachten Probleme mit sich und veranlassten immer mehr Menschen, sich im und für den Bürgerverein zu engagieren.

Wandsbeck um 1866, David Martin Kanning

Heute ist der Bürgerverein Wandsbek mit seinem Engagement im Bezirk, seinen Veranstaltungen, dem Betrieb des Heimatmuseums, seinen Veröffentlichungen und einer attraktiven Homepage zeitgemäß und vorbildlich engagiert. Viele Kapitel dieser Dokumentation werden die aktive Beteiligung dieses Bürgervereins näher beleuchten und zu würdigen wissen.


Autor: Michael Weidmann

Grußwort 150 Jahre Bürgerverein Wandsbek

Zehntes Kapitel: Altona

Gleich drei Bürgervereine gründeten sich in der schleswig-holsteinischen Stadt Altona, die unter dänischer Oberhoheit stand. Ein erster Bürgerverein im Jahr 1846, ein zweiter am 1. Juni 1848 als „Neuer Bürgerverein“ und ein dritter im Jahr 1886 für den Nordteil Altonas. 1905 wurden schlossen sich die beiden letztgenannten zu einem Bürgerverein zusammen, der das 20. Jahrhundert über Bestand hatte.

Panorama einer Reise von Hamburg nach Altona und zurück, nach 1824, unbekannter Künstler

Altona-Hamburger Viehmarkt um 1847, Johann Friedrich Knecht

Im Jahr 1848 hatte Altona 35.000 Einwohner und war damit nach Kopenhagen die größte Stadt im dänischen Machtbereich. Mit Ansiedlungsfreiheit für jedermann, mit Religionsfreiheit, Zoll- und Gewerbefreiheit wetteiferte Altona mit Hamburg als stolze See- und Handelsstadt. Allerdings erlosch das Interesse Dänemarks, weshalb die Stadt Altona immer stärker auf sich allein gestellt wurde.

Wintervergnügen auf der Elbe zwischen Hamburg und Altona 1838, Peter Suhr

Der erste Bürgerverein von 1846 vereinigte vor allem die obersten Gesellschaftsschichten, verlangte einen entsprechend hohen Beitrag und widmete sich vor allem der Geselligkeit. So erfolgte der Aufruf durch „mehrere hiesige Bürger des Mittelstandes einen Verein ins Leben zu rufen, welcher vorzugsweise den in das Gemeinleben der Vaterstadt eingreifenden Vorkommenheiten seine Aufmerksamkeit und seine Kräfte widmen will“. Man bat in den Saal des Herrn Werner in der Breitestraße 9 und gründete den „Neuen Bürgerverein von 1848“.

Zeitungsbericht über die Gründung

Eine Veröffentlichung auf der Titelseite der „Königlich privilegirten Altonaer Adreß-Comtoir-Nachrichten“ zwei Tage später beschreibt die strengen Regeln, nach denen das Vereinsleben sich gestaltete. Zu Vorsitzenden wurden der Kaufmann Joh. Christ. Wilhelm Thun und der Uhrmacher Boldtmann gewählt.

Schleswig-Holsteins Erhebung bestimmte die ersten Aktivitäten. Bereits am 12. Juni 1848 nahm man Stellung zu der von der provisorischen Regierung in Kiel empfohlenen allgemeinen Wehrpflicht und beschloss eine diesbezügliche Eingabe an die Schleswig-Holsteinische Ständeversammlung in Rendsburg. Mit 1.194 Unterschriften wurde diese nach Rendsburg gesandt. Der Wortlaut hat sich erhalten.

Fischmarkt in Altona 1856, Wilhelm Heuer

Am 2. August 1848 schickte man eine weitere Adresse an den Erzherzog Reichsverweser, in der sich der Bürgerverein gegen jeden Waffenstillstand oder Friedensschluss aussprach, die nicht von der provisorischen Regierung und dem Reichsverweser genehmigt worden wäre, und gegen jede Teilung Schleswig-Holsteins und jede Zerstückelung Schleswigs protestierte. Der Waffenstillstand erfolgte am 26. August 1848 in Malmö und der Bürgerverein verfasste eine Denkschrift an die Mitglieder der Nationalversammlung.

Altonaer Eingabe

Weitere Aktivitäten des Gründungsjahres 1848 waren eine Sammlung von 537 1/3 Reichstalern für die Verwundeten und Gefangenen in Copenhagen, die Diskussion der Verbesserung der Wasserversorgung und der Straßenbeleuchtung, verbunden mit der Gründung einer Gas-Aktiengesellschaft, und die Teilnahme an einem Treffen in Neumünster, auf dem die eventuelle Vereinigung aller Bürgervereine Schleswig-Holsteins beraten wurde.

Altona um 1860, Julius Gottheil

Die Altonaer Bürgervereine waren im 19. und nach der Vereinigung im 20. Jahrhundert eine wichtige Institution, die hier häufiger Erwähnung finden wird. Leider ging mit dem Vorsitzenden Wolfgang Vacano das Vereinsleben  zu Ende, so dass der Altonaer Bürgerverein 2006 schließlich aufgelöst werden musste.


Autor: Michael Weidmann

Elftes Kapitel: Cuxhaven

An der Elbmündung, im Ort Cuxhaven im Amt Ritzebüttel, genauer gesagt in der späteren Schultheißenschaft Ritzebüttel und Groden (siehe die Darstellung „Das Hamburger Gebiet und die Umgebung Hamburgs Mitte des 19. Jahrhunderts“), das im Schloß Ritzebüttel von dem Amtmann Senator Dr. E. Sthamer verwaltet wurde, meldeten sich im März 1848 die Bürger zu Wort und schlugen eine Reihe von Veränderungen vor. Dr. E. Sthamer kam diesen zum Teil nach, insbesondere erklärte er am 29. März die Aufhebung der Frondienste und den Verzicht auf den Zehnten. Ihm lag daran Unruhe von seinem Amt abzuwenden. Vielmehr setzte er auf maßvolle Regierung und Verwaltung im väterlich-freundlichen Umgang mit seinen Mitbürgern.

Ratsherren im Jahre 1860, aus einem Gemälde von Chr. E. Magnussen, neunter von links ist Senator Dr. E. Sthamer

Das Schloß Ritzebüttel 1568, Ausschnitt aus der Elbkarte von Melchior Lorichs

Die Bürger des Amtes versammelten sich am 5. April und bildeten eine Sicherheitswache (wie in St. Pauli und Bergedorf). Bald wurde diese „Verein“ genannt, wenig später „Bürgerverein“ und schließlich „Cuxhavener Bürgerverein“. Erster Präses war 1848 J. Dultz, ihm folgte 1949 J. H. E. Thomälen. Die Vereinssitzungen fanden zunächst jeden Mittwoch statt, dann vierzehntägig und schließlich alle vier Wochen. In den ersten Sitzungen verständigte man sich über die Wahlen zum Deutschen Volksparlament in Frankfurt und rief zur Sammlung für die Deutsche Kriegsflotte auf. In einer Versammlung kam man auf die Idee, anstatt die gesammelten Gelder nach Hamburg abzuführen, lieber ein eigenes Kriegsfahrzeug bauen zu lassen, wie es auch in St. Pauli der Fall war. Schließlich vereinigte man die Sammlungen allerdings doch mit den hamburgischen.

Ansicht des Leucht Thurms zu Cuxhaven so wie des Amts Ritzebüttel, Kupferstich von Johann Marcus David um 1805

Cuxhaven um 1860, Lithographie von Charles Fuchs

Der Cuxhavener Bürgerverein feierte die Eröffnung des Frankfurter Parlaments und diskutierte die Aufteilung des Amtes in Schultheißenschaften und die Vorteile der dortigen Häfen im beabsichtigten allgemeinen deutschen Zollsystem. Dann nahten die Wahlen zur Konstituante und der Bürgerverein stellte Dr. Friedrich Theodor Müller als Kandidaten auf, der später auch in die Bürgerschaft gewählt und schließlich Senator wurde. Weiter beteiligte man sich an der Gründung einer Krankenkasse für Arbeiter, diskutierte die Verteidigung des Amtes gegen kriegerische Einfälle und die effektive Straßenbeleuchtung.

Cuxhaven von Norden um 1845-50, gezeichnet von Johann Heinrich Sander, gestochen und gedruckt von Ernst Friedrich Grünewald und William John Cooke

Nach nur reichlich einem Jahr waren die Aktivitäten zu Ende. Die obrigkeitliche Überwachung und Kontrolle führte im Oktober 1849 zur Einstellung der Sitzungen. Dies war auch das Ende des ersten Cuxhavener Bürgervereins.

Die Gemeinden Ritzebüttel und Cuxhaven wurden 1874 zur „Landgemeinde Cuxhaven“. 1907 erhielt die Gemeinde das Stadtrecht. 1937 wurde Cuxhaven Teil Preußens. Die Verwaltung des Hafens blieb für Hamburg.

 

Autor: Michael Weidmann

Zwölftes Kapitel: Der erste innerstädtische Bürgerverein

In der Literatur herrscht keine Einigkeit darüber, welches der erste politische Verein in unserer Stadt gewesen ist. Beschränkt man sich aber auf die damaligen Stadtgrenzen und lässt man partikularische politische Bestrebungen innerhalb älterer Vereine (wie die vaterstädtische Sektion in der Patriotischen Gesellschaft seit Ende 1847) und berufsständische Vereine (wie den Juristen-Verein aus dem Sommer 1846) außer Acht, so ist jedenfalls der Verein der Nichtgrundeigentümer der älteste und für fast alle Hamburger zugängliche Bürgerverein. Er sollte ein Gegengewicht zu den Grundeigentümern darstellen, die nicht zuletzt die Erbgesessene Bürgerschaft besetzten, und eine politische Gleichstellung herbeiführen.

Dr. Johann Gustav Gallois, der es in seiner Vaterstadt Hamburg bereits als Strafverteidiger zu einigem Ansehen gebracht hatte, verfasste und publizierte am 30. Januar 1846 in der Zeitung „Tagwächter“ die Statuten dieses Vereins, der fünf Tage zuvor in der Poolstraße 11 neben der Judensynagoge gegründet worden war. Der Satzungszweck lautete: „Der Verein soll denjenigen Bürgern, welchen unsere Verfassung die Mitwirkung an der Regierung untersagt, Gelegenheit geben, sich über vaterstädtische Angelegenheiten zu unterrichten, die Fehler unseres Regiments, die Gesetzesübertretungen, sowie die Berechtigungen jedes hamburgischen Bürgers möglichst genau kennen zu lernen, endlich aber auch durch festes Zusammenhalten desto sicherer und zweckmäßiger vorkommenden Falles die Rechte der Bürger auf gesetzmäßigem Wege zu schützen“. Keine Frage, der erste Bürgerverein innerhalb der alten Hamburger Grenzen war geboren.

Mitglied werden konnte jeder Hamburger Bürger, der nicht Grundeigentümer oder Beamter war. Das Vereinsorgan blieb der „Tagwächter“, der seit 1843 wöchentlich in Meyers Zeitungsladen am Neß 1 erschien. Der neue Verein tagte im Apollosaal und erfreute sich regen Zulaufs. In der 16. Versammlung 1846 wurde berichtet, dass im ersten Vierteljahr 300 Mitglieder begrüßt werden konnten.

Ein solcher Verein wurde von den Erbgesessenenen als Gefahr betrachtet. Man behauptete „Feindschaft“ zu den Grundeigentümern, „Geldschneiderei“ wegen der Beiträge und gefährlichen „Kommunismus“. Die Vereinsaktivitäten widerlegten dies, allerdings kam es im Vereinsvorstand zu unüberbrückbaren Differenzen. Gallois und seine Freunde zogen die Konsequenz im „Tagwächter“ für den 10. August 1846 zu einer Deliberationsversammlung einzuladen, um den Verein aufzulösen. Gleichzeitig wurde am 24. August 1846 der Hamburger Bürgerverein konstituiert. Der Verein der Nichtgrundeigentümer lebt noch fort, er wird zuletzt am 9. November 1846 erwähnt.

Der neue Hamburger Bürgerverein erhielt eine Satzung mit umfassendem Zweck, nun wird die politische Gleichberechtigung aller Hamburger Bürger ausdrückliches Ziel, auch der Zugang zu allen Staatsämtern und größtmögliche Pressefreiheit. Nun durften auch Grundeigentümer Mitglied werden, allerdings keine Beamten. (Wer Beamter war oder wurde, musste sogar austreten.) Versammlungen fanden wöchentlich im Schneideramtshaus am Pferdemarkt statt. Publikationsorgan sollte das „Hamburger Bürgerblatt“ werden, das dann ab 17. Januar 1847 jeden Sonntag erschien. Erste Diskussionsthemen waren die Schulfrage (Errichtung einer Bürgerschule), das Armenwesen und die Besteuerung von Brot. Zu Weihnachten wurde eine Gewerbeausstellung geplant.

Der Festsaal des Schneideramtshauses am Pferdemarkt, Versammlunglokal des Bürgervereins, Holzschnitt

1848 änderte man die Satzung dahingehend, dass jeder unbescholtene volljährige Staatsangehörige Hamburgs Mitglied werden konnte, nun also auch Beamte. 1949 war die angestrebte bürgerliche Mitbestimmung bereits soweit gediehen, dass der Hamburger Bürgerverein seine Satzung in den politischen Absichten reduzieren konnte.

Unter der Führung von Dr. Gallois, des Schriftstellers B. Heitmann und Loewe wurde der Hamburger Bürgerverein maßgeblich bei der Gründung des Zentralkommitees der demokratischen Vereine, der Durchführung der Tonhallenversammlungen und der Begründung der Konstituante, die schließlich in die Verfassungsreform und die Bürgerschaftswahl von 1859 mündete. Diese Geschehnisse erhalten hier ein eigenes Kapitel.

Der Hamburger Bürgerverein bestand noch bis Ende 1852.


Autor: Michael Weidmann