Schlagwort: Bürgervereine

Vorsitzender Pastor OTTO SCHOOST

Otto Wilhelm Theodor Schoost, geboren am 22. Juli 1839 in Hamburg, gestorben am 14. März 1907, wurde am 9. Mai 1869 ordiniert. Er war dann Pastor zu St. Johannis in Neuengamme und seit 1871 Diakonus zu St. Katharinen in Hamburg. Aus seiner Feder stammen die Bücher „Vierlanden – Beschreibung des Landes und seiner Sitten“ (1894) und „Das Kugel-Denkmal – Seine Bedeutung, Entstehung und Vollendung nebst den auf den Feiern der Grundsteinlegung und Enthüllung bezüglichen Documenten“ (1878).

Pastor Otto Schoost wurde am 7. Juni 1886 bei der konstituierenden Sitzung des Zentralausschusses Hamburgischer Bürgervereine mit den Herren Felten und Dr. Erdmann provisorischer Vorstand und dann am 5. Juli 1886 bei der endgültigen Vorstandswahl Erster Vorsitzender des Verbandes. Seine Amtszeit dauerte vier Jahre bis 1890.

In der Amtszeit von Pastor Otto Schoost beschloss der Zentralausschuss eine dringende Eingabe an den Senat wegen des schlechten Trinkwassers. Der Verband betrieb erfolgreich die Errichtung weiterer Standesämter, vor allem in den Vororten (eingerichtet wurden daraufhin weitere elf zu den bereits bestehenden zwölf). Selbstständig gründete der Zentralausschuss ein Asyl für Obdachlose und Sanitätswachen. Er erreichte die Kostenfreiheit des Bürgerrechts und kämpfte gegen Übelstände im Straßenbahnbetrieb.

Pastor Schoost persönlich wurde bekannt als emsiger Förderer von Knaben- und Mädchenhorten in Hamburg. Er stand für soziales Engagement und aktive Mithilfe bei der Versorgung von besonders bedürftigen Hamburgern.

 

Autor: Michael Weidmann


Haben Sie weitere Erinnerungen an Pastor Otto Schoost oder Dokumente seines Wirkens? Dann freuen wir uns, wenn Sie sich mit uns in Verbindung setzen und uns diese zur Verfügung stellen mögen.

Hamburg Mitte des 19. Jahrhunderts

Eine umfassende Beschreibung der Stadt und des Lebens im Hamburg Mitte des 19. Jahrhunderts ist in dieser Diskussion bisher nicht vorgesehen. Wir konzentrieren uns auf diejenigen Aspekte, die die Entstehung und das Wirken der Bürgervereine betreffen.

Trotzdem macht es Sinn sich einen Eindruck vom Hamburg damals zu verschaffen. Deshalb haben wir diese Karte der damals noch umschlossenen und befestigten Stadt ausgesucht. Sie ist mit einigen Abbildungen der Stadttore, Wälle, Brücken und Bastionen illustriert. Der Verteidigungsring entstand zwischen 1616 und 1626, er war also über 200 Jahre alt. In dieser Zeit hatte sich die Einwohnerschaft Hamburgs verdreifacht, nun lebten über 120.000 Menschen innerhalb des Walles.

Schöpfer des Verteidigungsringes war Johann van Valckenburgh, ein Hauptmann der Artillerie und Spezialist für den Festungsbau. Er schlug einen Kreis von 1200 Metern Radius um die Nikolaikirche und bebaute diesen mit sechs bis neun Meter hohen Wällen, davor ein breiter Wassergraben. Im Abstand von jeweils 300 Metern entstand eine Bastion, insgesamt 21 an der Zahl. Diese wurden nach den amtierenden Ratsherren mit Männervornamen benannt. 167 Kanonen standen auf den Bastionen, weitere 128 in den Zeughäusern zur Verstärkung.

Im Dreißigjährigen Krieg reichte dies für den Schutz unserer Stadt aus. Wallenstein und Tilly machten keine Anstalten unsere Stadt zu erobern. Vielmehr fanden hier 1636 und 1641 ihre Vorverhandlungen für den späteren Friedensschluss (1648 in Osnabrück und Münster) statt.

Bürgervereine gründeten sich zunächst in den Vorstädten, Städtchen, Dörfern und Gebieten vor Hamburgs Toren. Die Torsperren zu überwinden, die Tore zu öffnen und gleichberechtigt mit „denen dort drinnen“ behandelt zu werden, war eines ihrer ersten Anliegen.

Karte von Hamburg, London von der Society for the Diffusion of Useful Knowledge, 59 Lincolns Inn Fields. Durch Klick auf die Karte eröffnen sich weitere Informationen

Autor: Michael Weidmann

Das Hamburger Gebiet und die Umgebung Hamburgs Mitte des 19. Jahrhunderts

Bei der Lektüre unserer „Geschichte der Bürgervereine“ liest man von vielen Ortschaften, die heute als Stadtteile wie selbstverständlich zu Hamburg gehören, in der Zeit vor 170 Jahren jedoch außerhalb der befestigten Stadt lagen. Um den interessierten Lesern das Verständnis zu erleichtern, haben wir hier übersichtsartig die Gliederung des Hamburger Gebiets und der Umgebung Hamburgs zusammen gestellt. Dabei haben wir uns bemüht alle diejenigen Ortschaften zu erfassen, die heute zur Freien und Hansestadt Hamburg gehören. So also wurden sie Mitte des 19. Jahrhunderts verwaltet.

Das Hamburger Gebiet

Das sogenannte Hamburger Gebiet wurde in drei Abteilungen verwaltet, die Landherrenschaft der Geestlande, die Landherrschaft der Marschlande und dem Amt Ritzebüttel.

A Die Landherrschaft der Geestlande
bestehend aus drei Kirchspielen mit zusammen 16 Vogteien und den Walddörfern mit sechs Vogteien

a) Kirchspiel Eppendorf mit elf Vogteien
Vogtei Langenhorn, Vogtei Fuhlsbüttel mit Alsterberg, Vogtei Klein-Borstel mit Strukholt, Vogtei Ohlsdorf und das Ihland, Vogtei Groß-Borstel mit dem Alsterkrug, Vogtei Alsterdorf, Vogtei Winterhude, Vogtei Eppendorf, Vogtei Eimsbüttel, Vogtei Harvstehude mit dem Schlump, Grindel, Pöseldorf und der Gegend vor dem Dammtor, Vogtei Rotherbaum

b) Kirchspiel St. Georg mit drei Vogteien
Vogtei Barmbeck, Vogtei Eilbeck, Vogtei Burgfelde mit Hohenfelde, Uhlenhorst und Hammerdeich

c) Kirchspiel Hamm mit zwei Vogteien
Vogtei Hamm, Vogtei Horn

d) Die Walddörfer mit sechs Vogteien
Vogtei Groß-Hansdorf mit Beimoor, Vogtei Schmalenbeck, Vogtei Wohldorf, Vogtei Ohlstedt, Vogtei Volksdorf, Vogtei Farmsen mit Berne

B Die Landherrschaft der Marschlande
bestehend aus elf Vogteien

Vogtei Billwärder
Billwärder mit Heckkathen und Nettelburg, Allermöhe, Moorfleth mit der Billwärder-Insel

Vogtei Billwärder-Ausschlag
Entenwärder und Billwärder-Steindamm

Vogtei Reitbrook
Elfkathen, Reit und die Hoh

Vogtei Ochsenwärder

Vogtei Moorwärder

Vogtei Spadenland

Vogtei Tatenberg

Vogtei der Elbinseln
Kaltenhofe, Peute, Kleine Veddel, Große Veddel, Müggenburg, Niedernfeld, Klütjenfeld, Kleiner Grasbrook mit Baakenwärder, Großer Grasbrook, Steinwärder, Grevenhof, Gänseweide mit Maadenort, Roß mit Göschenwärder und Ellerholz, Waltershof, Mühlenwärder, Große und Kleine Dradenau

Vogtei Finkenwerder

Vogtei Moorburg
Kleine Kattwiek, Ellerholz, Moorburger Weide

Vogtei Krauel

C Das Amt Ritzebüttel
bestehend aus zwei Schultheißenschaften

1. Schultheißenschaft Ritzebüttel und Groden
Ritzebüttel, Groden, Neuenfeld, Abschnede, Süderwisch, Cuxhaven

Erinnerungsblatt an die Feier in Ritzebüttel mit Szenen aus dem historischen Festspiel, Lithographie von Dora Maetzel

2. Schultheißenschaft Döse und Altenwalde
a) Kirchspiel Döse
Döse, Duhnen, Stickenbüttel, Sahlenburg, Brockeswalde
b) Kirchspiel Altenwalde
Westerwisch, Spangen, Holte, Altenwalde, Gudendorf, Orte, Berensch, Ahrensch
c) Neuwerk

Das Herzogthum Holstein

Aufgelistet werden hier nur die zur Hamburger Umgebung gezählten Gebiete.

1. Die Grafschaft Rantzau

Kirchspielvogtei Barmstedt

Kirchspielvogtei Elmshorn mit Seth
Eckholt und Becklohe, Dannesch und Barkhörn, Ellerhoop und Thiensen, Ranzel und Missen

2. Die Herrschaft Pinneberg

Klostervogtei Uetersen
Uetersen, Heist, Köhnholz

Amtsvogtei Uetersen
Kirchspiel Elmshorn mit Hainholz, Auf der Lieth und Klein-Nordende
Kirchspiel Uetersen mit Groß-Nordende und Heidgraben

Moorreger Distrikt mit Moorrege, Heidrege und Ober-Glinde
Kirchspiel Rellingen
Ahrenlohe, Esingen, Tornesch, Kummerfeld, Prisdorf, Pein, Unter-Glinde, Appen, Eetz, Schäferhof, Nienhöfen, Brande, Datum, Halstenbeck, Krupunder, Eggerstedt, Theesdorf, Rellingen, Egenbüttel, Ellerbeck, Bönningstedt, Winzeldorf, Pinneberg, Pinnebergerdorf, Borstel, Hohenraden, Tangstedt
Kirchspiel Quickborn
Quickborn, Renzel, Harksheide, Haslohfurth, Frederiksgabe, Ochsenzoll, Garstedt, Hasloh
Kirchspiel Niendorf
Burgwedel, Schnelsen, Niendorf, Lokstedt, Hummelsbüttel
Kirchspiel Bergstedt
Poppenbüttel

Kirchspielvogtei oder Verwaltung Hatzburg
Kirchspiel Wedel
Holm, Wedel, Wedeler Sand, Fährmanns Sand, Spitzerdorf, Schulau

Kirchspiel Nienstedten
Rissen, Tinsdahl, Wittenbergen, Sülldorf, Schenefeld, Lurup, Osdorf, Dockenhuden, Blankenese, Mühlenberg, Nienstedten, Flottbeck, Klein-Flottbeck, Groß-Flottbeck

Vogtei Ottensen
Kirchspiel Niendorf (unter dem Kirchspielvogt von Hatzburg)
Eidelstedt, Stelling
Kirchspiel Ottensen (unter dem Kirchspielvogt von Hatzburg)
Bahrenfeld, Othmarschen, Oevelgönne
Kirchspiel Ottensen (unter dem Altonaer Magistrat)
Neumühlen, Ottensen, Altona

3. Das Kanzleigut Tangstedt
Tangstedter Mühle, Tangstedt, Wilstedt, Harkshaide (teilw.) Tangstedter Haide, Duvenstedt, Lehmsal, Mellingstedt

4. Das Adelige Gut Wulksfelde
Rade, Gurbeck, Wiemerskamp, Ehlersberg

5. Das Adelige Gut Jersbeck

6. Das Adelige Gut Hoisbüttel
Hoisbüttel, Rothwegen

7. Das Adelige Gut Ahrensburg
Timmerhorn, Bünningstedt, Fannyhof, Wulfsdorf, Stellmoor, Eulenkrug, Hagen, Ahrensfelde, Meilsdorf, Woldenhorn, Bagatelle, Schelenhorst, Dänenteich, Beimoor

8. Das Amt Tremsbüttel
Kirchspiel Bargteheide
Tremsbüttel, Borburg, Bargteheide, Klein-Hansdorf, Delingsdorf, Hammoor
Kirchspiel Rahlstedt
Neu-Rahlstedt

9. Das Amt Trittau
Kirchspiel Bergstedt
Bergstedt, Rodenbeck, Sasel, Bramfeld, Steilshoop
Kirchspiel Rahlstedt
Meiendorf, Oldenfelde, Höltigbaum, Alt-Rahlstedt
Kirchspiel Eichede
Todendorf, Sprenge
Kirchspiel Siek
Oetjendorf, Hoisdorf, Papendorf, Cronshorst, Rausdorf
Kirchspiel Trittau
Lütjensee, Großensee, Trittau, Grande, Witzhave

10. Kanzleigut Wellingsbüttel

11. Das Adelige Gut Wandsbeck
Wandsbeck, Hopfenkarre, Hinschenfelde, Tonndorf, Lohe, Pulverhof, Mühlenbeck

12. Das Amt Reinbeck
Kirchspiel Siek
Siek, Langelohe
Kirchspiel Rahlstedt
Braak, Stellau, Stapelfeld, Jenfeld
Kirchspiel Steinbeck
Ojendorf, Schiffbeck, Ober-Schleems, Nieder-Schleems, Kirch-Steinbeck, Ost-Steinbeck, Barsbüttel, Stemwarde, Willinghusen, Glinde, Havighorst, Boberg, Sande, Lohbrügge, Ladenbeck, Reinbeck, Schönningstedt, Ohe, Mühlenbeck

12. Das Kanzleigut Silk

Das Herzogthum Lauenburg

Kirchspiel Kuddewörde
Kuddewörde, Grande, Rothenbeck
Kirchspiel Brunstorf
Friedrichsruhe, Aumühle, Kupferkathe, Billenkamp, Kröppelshagen, Dassendorf
Kirchspiel Hohenhorn
Wohltorf, Wentorf, Börnsen, Rothenhaus, Escheburg, Besenhorst, Fahrendorf, Hohenhorn, Krümmel

Das Königreich Hannover

Das Königreich Hannover bestand aus sechs Landdrosteien und einer Berghauptmannschaft. Aufgelistet werden hier nur die zur Hamburger Umgebung gezählten Gebiete.

A Die Landdrostei Lüneburg
Amt Artlenburg
Tespe, Obermarschacht
Amt Winsen an der Luhe
Kirchspiel Niedermarschacht
Niedermarschacht, Rönne, Schwinde, Stove
Kirchspiel Drennhausen
Elbstorf, Drennhausen, Drage
Kirchspiel Winsen
Lassrönne, Stöckte, Haue, Hoopte, Fliegenberg, Rosenweide, Wuhlenburg, Fachenfelde, Maschen

Amt Harburg
Vogtei Neuland-Over
Junkernfeld, Hörsten, Over, Hagolt, Bullenhausen, Fünfhausen, Neuland, Groß-Moor, Klein-Moor
Vogtei Kirchwärder
Vogtei Hittfeld
Wilsdorf, Rönneburg, Canzlershof, Meckelfeld, Glüsingen, Höpen, Jehrden, Caroxbostel, Hittfeld, Eddelsen, Emmelndorf, Fleestedt, Loh, Sinsdorf, Langenbeck, Marmstorf, Beckendorf, Weide, Wordorf, Wittemberg, Metzendorf, Iddensee, Hinteln, Tötensen, Westerhof, Leversen, Sieversen, Gottorf, Lürade, Appenbüttel, Barendorf, Alvesen, Ehestorf, Eisendorf, Harburg, Heimfeld, Hausbruch, Alt-Wiedenthal, Neu-Wiedenthal
Vogtei Lauenbruch
Lauenbruch, Hoheschaar, Große Kattwiek, Lütje Land, Lange Morgen
Vogtei Alten- und Finkenwärder
Altenwärder, Krusenbusch, Horn und Blumensand, Kreet und Blumensand, Finkenwärder

Amt Wilhelmsburg
Wilhelmsburg, Stillhorn, Einlage, Finkenrieck, Kirchhof, Kornweide, Grünerdeich, Kückenkathe, Schluisgrove, Kukukshärn, Neuefeld, Schönefeld, Jenerseite, Gätjensort, Sperlsdeich, Georgswärder, Hohe, Busch, Rothenhaus, Reiherstieg, Neuhof

B Die Landdrostei Stade

Das Alte Land
a) Die Dritte Meile
Francop, Brackenburg, Neuenfelde, Bei der Mühle, Rosengarten, Bei der Schleuse, Vierzig Stücken, Niencop, Liedenkummer, Marschdammer-Deich, Cranz, Kleine-Hove, Große-Hove, Esteburg, Ost-Moorende, Finkenreich, Rübke, Auf der Pfeife, Das Heisternest, Neuengraben, Fischbeck, Scheideholz
b) Die zweite Meile
Cranz, Stöltenhorn, Hinterbrack, Leeswig, Wellenstraße, Königreich, Estebrügge, West-Moorende, Dugelfang, Ladecop, Jork, Borstel, Kohlenhusen, Somflether Wisch, Hahnofer-Sand, Hanskalb-Sand

Das Land Hadeln
Kirchspiel Altenbruch
Kirchspiel Lüdingworth
Kirchspiel Nordleda

Das Land Wursten
Altenwalde, Nordholz, Schönert, Pompdamm, Halbemond

Beiderstädtisches Gebiet (verwaltet von Hamburg und Lübeck)

Die Stadt Bergedorf

Die Vierlande
Kurslak, Altengamm, Neuengamm, Ohe, Krauel, Kirchwärder, Zollenspieker

Geesthacht

 

Autor: Michael Weidmann

Schreibweise von Gebietsbezeichnungen und Straßennamen

In der deutschen Rechtschreibung wird heute ein „ck“ als Verkürzung des vorstehenden Vokals verwendet. Bei norddeutschen (niederdeutschen) Orts- und Familiennamen war das früher anders. Allerdings sind diese Schreibweisen überwiegend verschwunden. In verbleibenden Fällen wie „Lübeck“ und „Mecklenburg“, „Bleckede“, „Fredenbeck“ und „Schnackenburg“ wird heutzutage immer häufiger das Dehnungs-c nicht mehr erkannt und diese Wörter – etymologisch falsch – kurz ausgesprochen.

Es war im Interesse der Gebiets-Verwaltungen, die ursprüngliche Aussprache zu erhalten. Je stärker die Menschen umherzogen, reisten und insgesamt mobiler wurden, desto wichtiger wurde dies. Weil allerdings ein Dehnungs-c Fremden kaum erklärlich erschien, mussten die Schreibweisen von Gebietsbezeichnungen und Straßennamen geändert werden. So änderte man bereits 1877 in der preußischen Provinz Schleswig-Holstein „Wandsbeck“ in „Wandsbek“.

Im selbstbewussten Hamburg ließ man sich damit weitaus länger Zeit. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg und als verbindliche Schreibweise in den neuen Stadtplänen im Zuge des Wiederaufbaus machte das Organisationsamt des Senats am 7. Januar 1947 (Beschluss des Senats vom 27. September 1946, Veröffentlichung am 15. Januar 1947) bekannt, dass

für alle Gebietsbezeichnungen, die als Bestandteile die Wörter „Fleth“ bzw. „Flet“, „beck“ oder „wärder“ enthalten, die Schreibweise dieser Wörter in „Fleet“, „bek“ und „werder“ geändert wurden. Das gleiche gilt für die aus solchen Gebietsbezeichnungen hergeleiteten Straßennamen.

In unserer „Geschichte der Bürgervereine“ verwenden wir die Schreibweise der jeweiligen Zeit, um den historischen Bezug zu betonen.

Unberührt von der Änderungen waren naturgemäß die Familiennamen, hier blieb vor allem das „ck“ nach langem Vokal erhalten. „Dickmann“, „Buddenbrock“ und viele andere könnten also auch heute noch und richtigerweise mit langem Vokal gesprochen werden.


Autor: Michael Weidmann

Neuntes Kapitel: Wandsbeck

„In den ersten Monaten des Jahres 1848“ heißt es in den vorliegenden Unterlagen, wurde der Wandsbecker Bürgerverein als „Neuer Bürgerverein“ gegründet. Das genaue Gründungsdatum ist nicht zu ermitteln, auch nicht die Namen der ersten Vereinsführung, vermutlich sind die Gründungsprotokolle nicht erhalten. Auch in den Unterlagen der hamburgischen Bürgervereine ist dieser Verein nicht verzeichnet, weil Wandsbeck weder zur Stadt Hamburg, noch zum hamburgischen Landgebiet gehörte. Heute jedoch gehört Wandsbek unabdingbar zu unserer Stadt und der Wandsbeker Bürgerverein von 1848 verdient einen bedeutenden Platz in der gemeinsamen Geschichte.

Das Schloß in Wandsbeck bei Hamburg um 1835, Johann Christian Carsten Meyn

Wandsbek war im Jahre 1848 ein Flecken mit etwa 4000 Einwohnern, die zum größten Teil in Manufakturen arbeiteten. So weiß man, dass auch die 18 Gründer des Bürgervereins zum größten Teil aus handwerklichen Berufen kamen, daneben beteiligten sich drei Kaufleute, zwei Wirte und ein Schriftsteller an der Vereinsgründung.

Hamburg-Wandsbecker Trab-Rennen 1841, unbekannter Künstler

Das dänische Heer schlug 1848 bis 1850 die sogenannte „Schleswig-Holsteinische Erhebung“ nieder, an der sich auch Wandsbecker beteiligt hatten. Es wird vermutet, dass der neugegründete Bürgerverein Repressalien fürchtete, wenn er sich allzu politisch engagierte, so dass er sich zunächst still verhielt und seine Aktivitäten 1851 vor allem auf das soziale Gebiet verlegte. 1853 bestand die Vereinsführung aus dem Krämer Ehrenström und dem Lehrer Eckermann.

Nach und nach kam die Kommunalpolitik zu ihrem Recht, namentlich als Wandsbek Garnison wurde. Schule und Krankenhaus, Sielanschluss und Wasserversorgung brachten Probleme mit sich und veranlassten immer mehr Menschen, sich im und für den Bürgerverein zu engagieren.

Wandsbeck um 1866, David Martin Kanning

Heute ist der Bürgerverein Wandsbek mit seinem Engagement im Bezirk, seinen Veranstaltungen, dem Betrieb des Heimatmuseums, seinen Veröffentlichungen und einer attraktiven Homepage zeitgemäß und vorbildlich engagiert. Viele Kapitel dieser Dokumentation werden die aktive Beteiligung dieses Bürgervereins näher beleuchten und zu würdigen wissen.


Autor: Michael Weidmann

Grußwort 150 Jahre Bürgerverein Wandsbek

Zehntes Kapitel: Altona

Gleich drei Bürgervereine gründeten sich in der schleswig-holsteinischen Stadt Altona, die unter dänischer Oberhoheit stand. Ein erster Bürgerverein im Jahr 1846, ein zweiter am 1. Juni 1848 als „Neuer Bürgerverein“ und ein dritter im Jahr 1886 für den Nordteil Altonas. 1905 wurden schlossen sich die beiden letztgenannten zu einem Bürgerverein zusammen, der das 20. Jahrhundert über Bestand hatte.

Panorama einer Reise von Hamburg nach Altona und zurück, nach 1824, unbekannter Künstler

Altona-Hamburger Viehmarkt um 1847, Johann Friedrich Knecht

Im Jahr 1848 hatte Altona 35.000 Einwohner und war damit nach Kopenhagen die größte Stadt im dänischen Machtbereich. Mit Ansiedlungsfreiheit für jedermann, mit Religionsfreiheit, Zoll- und Gewerbefreiheit wetteiferte Altona mit Hamburg als stolze See- und Handelsstadt. Allerdings erlosch das Interesse Dänemarks, weshalb die Stadt Altona immer stärker auf sich allein gestellt wurde.

Wintervergnügen auf der Elbe zwischen Hamburg und Altona 1838, Peter Suhr

Der erste Bürgerverein von 1846 vereinigte vor allem die obersten Gesellschaftsschichten, verlangte einen entsprechend hohen Beitrag und widmete sich vor allem der Geselligkeit. So erfolgte der Aufruf durch „mehrere hiesige Bürger des Mittelstandes einen Verein ins Leben zu rufen, welcher vorzugsweise den in das Gemeinleben der Vaterstadt eingreifenden Vorkommenheiten seine Aufmerksamkeit und seine Kräfte widmen will“. Man bat in den Saal des Herrn Werner in der Breitestraße 9 und gründete den „Neuen Bürgerverein von 1848“.

Zeitungsbericht über die Gründung

Eine Veröffentlichung auf der Titelseite der „Königlich privilegirten Altonaer Adreß-Comtoir-Nachrichten“ zwei Tage später beschreibt die strengen Regeln, nach denen das Vereinsleben sich gestaltete. Zu Vorsitzenden wurden der Kaufmann Joh. Christ. Wilhelm Thun und der Uhrmacher Boldtmann gewählt.

Schleswig-Holsteins Erhebung bestimmte die ersten Aktivitäten. Bereits am 12. Juni 1848 nahm man Stellung zu der von der provisorischen Regierung in Kiel empfohlenen allgemeinen Wehrpflicht und beschloss eine diesbezügliche Eingabe an die Schleswig-Holsteinische Ständeversammlung in Rendsburg. Mit 1.194 Unterschriften wurde diese nach Rendsburg gesandt. Der Wortlaut hat sich erhalten.

Fischmarkt in Altona 1856, Wilhelm Heuer

Am 2. August 1848 schickte man eine weitere Adresse an den Erzherzog Reichsverweser, in der sich der Bürgerverein gegen jeden Waffenstillstand oder Friedensschluss aussprach, die nicht von der provisorischen Regierung und dem Reichsverweser genehmigt worden wäre, und gegen jede Teilung Schleswig-Holsteins und jede Zerstückelung Schleswigs protestierte. Der Waffenstillstand erfolgte am 26. August 1848 in Malmö und der Bürgerverein verfasste eine Denkschrift an die Mitglieder der Nationalversammlung.

Altonaer Eingabe

Weitere Aktivitäten des Gründungsjahres 1848 waren eine Sammlung von 537 1/3 Reichstalern für die Verwundeten und Gefangenen in Copenhagen, die Diskussion der Verbesserung der Wasserversorgung und der Straßenbeleuchtung, verbunden mit der Gründung einer Gas-Aktiengesellschaft, und die Teilnahme an einem Treffen in Neumünster, auf dem die eventuelle Vereinigung aller Bürgervereine Schleswig-Holsteins beraten wurde.

Altona um 1860, Julius Gottheil

Die Altonaer Bürgervereine waren im 19. und nach der Vereinigung im 20. Jahrhundert eine wichtige Institution, die hier häufiger Erwähnung finden wird. Leider ging mit dem Vorsitzenden Wolfgang Vacano das Vereinsleben  zu Ende, so dass der Altonaer Bürgerverein 2006 schließlich aufgelöst werden musste.


Autor: Michael Weidmann

Elftes Kapitel: Cuxhaven

An der Elbmündung, im Ort Cuxhaven im Amt Ritzebüttel, genauer gesagt in der späteren Schultheißenschaft Ritzebüttel und Groden (siehe die Darstellung „Das Hamburger Gebiet und die Umgebung Hamburgs Mitte des 19. Jahrhunderts“), das im Schloß Ritzebüttel von dem Amtmann Senator Dr. E. Sthamer verwaltet wurde, meldeten sich im März 1848 die Bürger zu Wort und schlugen eine Reihe von Veränderungen vor. Dr. E. Sthamer kam diesen zum Teil nach, insbesondere erklärte er am 29. März die Aufhebung der Frondienste und den Verzicht auf den Zehnten. Ihm lag daran Unruhe von seinem Amt abzuwenden. Vielmehr setzte er auf maßvolle Regierung und Verwaltung im väterlich-freundlichen Umgang mit seinen Mitbürgern.

Ratsherren im Jahre 1860, aus einem Gemälde von Chr. E. Magnussen, neunter von links ist Senator Dr. E. Sthamer

Das Schloß Ritzebüttel 1568, Ausschnitt aus der Elbkarte von Melchior Lorichs

Die Bürger des Amtes versammelten sich am 5. April und bildeten eine Sicherheitswache (wie in St. Pauli und Bergedorf). Bald wurde diese „Verein“ genannt, wenig später „Bürgerverein“ und schließlich „Cuxhavener Bürgerverein“. Erster Präses war 1848 J. Dultz, ihm folgte 1949 J. H. E. Thomälen. Die Vereinssitzungen fanden zunächst jeden Mittwoch statt, dann vierzehntägig und schließlich alle vier Wochen. In den ersten Sitzungen verständigte man sich über die Wahlen zum Deutschen Volksparlament in Frankfurt und rief zur Sammlung für die Deutsche Kriegsflotte auf. In einer Versammlung kam man auf die Idee, anstatt die gesammelten Gelder nach Hamburg abzuführen, lieber ein eigenes Kriegsfahrzeug bauen zu lassen, wie es auch in St. Pauli der Fall war. Schließlich vereinigte man die Sammlungen allerdings doch mit den hamburgischen.

Ansicht des Leucht Thurms zu Cuxhaven so wie des Amts Ritzebüttel, Kupferstich von Johann Marcus David um 1805

Cuxhaven um 1860, Lithographie von Charles Fuchs

Der Cuxhavener Bürgerverein feierte die Eröffnung des Frankfurter Parlaments und diskutierte die Aufteilung des Amtes in Schultheißenschaften und die Vorteile der dortigen Häfen im beabsichtigten allgemeinen deutschen Zollsystem. Dann nahten die Wahlen zur Konstituante und der Bürgerverein stellte Dr. Friedrich Theodor Müller als Kandidaten auf, der später auch in die Bürgerschaft gewählt und schließlich Senator wurde. Weiter beteiligte man sich an der Gründung einer Krankenkasse für Arbeiter, diskutierte die Verteidigung des Amtes gegen kriegerische Einfälle und die effektive Straßenbeleuchtung.

Cuxhaven von Norden um 1845-50, gezeichnet von Johann Heinrich Sander, gestochen und gedruckt von Ernst Friedrich Grünewald und William John Cooke

Nach nur reichlich einem Jahr waren die Aktivitäten zu Ende. Die obrigkeitliche Überwachung und Kontrolle führte im Oktober 1849 zur Einstellung der Sitzungen. Dies war auch das Ende des ersten Cuxhavener Bürgervereins.

Die Gemeinden Ritzebüttel und Cuxhaven wurden 1874 zur „Landgemeinde Cuxhaven“. 1907 erhielt die Gemeinde das Stadtrecht. 1937 wurde Cuxhaven Teil Preußens. Die Verwaltung des Hafens blieb für Hamburg.

 

Autor: Michael Weidmann

Zwölftes Kapitel: Der erste innerstädtische Bürgerverein

In der Literatur herrscht keine Einigkeit darüber, welches der erste politische Verein in unserer Stadt gewesen ist. Beschränkt man sich aber auf die damaligen Stadtgrenzen und lässt man partikularische politische Bestrebungen innerhalb älterer Vereine (wie die vaterstädtische Sektion in der Patriotischen Gesellschaft seit Ende 1847) und berufsständische Vereine (wie den Juristen-Verein aus dem Sommer 1846) außer Acht, so ist jedenfalls der Verein der Nichtgrundeigentümer der älteste und für fast alle Hamburger zugängliche Bürgerverein. Er sollte ein Gegengewicht zu den Grundeigentümern darstellen, die nicht zuletzt die Erbgesessene Bürgerschaft besetzten, und eine politische Gleichstellung herbeiführen.

Dr. Johann Gustav Gallois, der es in seiner Vaterstadt Hamburg bereits als Strafverteidiger zu einigem Ansehen gebracht hatte, verfasste und publizierte am 30. Januar 1846 in der Zeitung „Tagwächter“ die Statuten dieses Vereins, der fünf Tage zuvor in der Poolstraße 11 neben der Judensynagoge gegründet worden war. Der Satzungszweck lautete: „Der Verein soll denjenigen Bürgern, welchen unsere Verfassung die Mitwirkung an der Regierung untersagt, Gelegenheit geben, sich über vaterstädtische Angelegenheiten zu unterrichten, die Fehler unseres Regiments, die Gesetzesübertretungen, sowie die Berechtigungen jedes hamburgischen Bürgers möglichst genau kennen zu lernen, endlich aber auch durch festes Zusammenhalten desto sicherer und zweckmäßiger vorkommenden Falles die Rechte der Bürger auf gesetzmäßigem Wege zu schützen“. Keine Frage, der erste Bürgerverein innerhalb der alten Hamburger Grenzen war geboren.

Mitglied werden konnte jeder Hamburger Bürger, der nicht Grundeigentümer oder Beamter war. Das Vereinsorgan blieb der „Tagwächter“, der seit 1843 wöchentlich in Meyers Zeitungsladen am Neß 1 erschien. Der neue Verein tagte im Apollosaal und erfreute sich regen Zulaufs. In der 16. Versammlung 1846 wurde berichtet, dass im ersten Vierteljahr 300 Mitglieder begrüßt werden konnten.

Ein solcher Verein wurde von den Erbgesessenenen als Gefahr betrachtet. Man behauptete „Feindschaft“ zu den Grundeigentümern, „Geldschneiderei“ wegen der Beiträge und gefährlichen „Kommunismus“. Die Vereinsaktivitäten widerlegten dies, allerdings kam es im Vereinsvorstand zu unüberbrückbaren Differenzen. Gallois und seine Freunde zogen die Konsequenz im „Tagwächter“ für den 10. August 1846 zu einer Deliberationsversammlung einzuladen, um den Verein aufzulösen. Gleichzeitig wurde am 24. August 1846 der Hamburger Bürgerverein konstituiert. Der Verein der Nichtgrundeigentümer lebt noch fort, er wird zuletzt am 9. November 1846 erwähnt.

Der neue Hamburger Bürgerverein erhielt eine Satzung mit umfassendem Zweck, nun wird die politische Gleichberechtigung aller Hamburger Bürger ausdrückliches Ziel, auch der Zugang zu allen Staatsämtern und größtmögliche Pressefreiheit. Nun durften auch Grundeigentümer Mitglied werden, allerdings keine Beamten. (Wer Beamter war oder wurde, musste sogar austreten.) Versammlungen fanden wöchentlich im Schneideramtshaus am Pferdemarkt statt. Publikationsorgan sollte das „Hamburger Bürgerblatt“ werden, das dann ab 17. Januar 1847 jeden Sonntag erschien. Erste Diskussionsthemen waren die Schulfrage (Errichtung einer Bürgerschule), das Armenwesen und die Besteuerung von Brot. Zu Weihnachten wurde eine Gewerbeausstellung geplant.

Der Festsaal des Schneideramtshauses am Pferdemarkt, Versammlunglokal des Bürgervereins, Holzschnitt

1848 änderte man die Satzung dahingehend, dass jeder unbescholtene volljährige Staatsangehörige Hamburgs Mitglied werden konnte, nun also auch Beamte. 1949 war die angestrebte bürgerliche Mitbestimmung bereits soweit gediehen, dass der Hamburger Bürgerverein seine Satzung in den politischen Absichten reduzieren konnte.

Unter der Führung von Dr. Gallois, des Schriftstellers B. Heitmann und Loewe wurde der Hamburger Bürgerverein maßgeblich bei der Gründung des Zentralkommitees der demokratischen Vereine, der Durchführung der Tonhallenversammlungen und der Begründung der Konstituante, die schließlich in die Verfassungsreform und die Bürgerschaftswahl von 1859 mündete. Diese Geschehnisse erhalten hier ein eigenes Kapitel.

Der Hamburger Bürgerverein bestand noch bis Ende 1852.


Autor: Michael Weidmann

Fünftes Kapitel: Die erste Gründungsphase ab 1843

Am 8. März 1843 gründete sich der erste Hamburger Bürgerverein in der Vorstadt St. Pauli. Es spricht für den Willen der Menschen in Hamburg gleichberechtigt behandelt zu werden und an den Segnungen der wachsenden Stadt teilzuhaben, dass sich auch die folgenden Bürgervereine rund um die eigentliche Stadt herum konstituierten:

08.03.1843 in St. Pauli (Vorstadt Hamburgs)
1846 in Altona (Dänemark)
07.10.1847 in Bergedorf (sog. Städtchen unter der Verwaltung von Hamburg und Lübeck)
10.02.1848 vor dem Dammtor (Hamburger Vorland)
April 1848 in Wandsbeck (Dänemark)
01.06.1848 in Altona (Dänemark)
1848 in Cuxhaven (hamburgischer Außenposten)
1848 in Barmbeck (Dorf)
1848 in Hohenfelde (Dorf)
1849 in Hamm (Dorf)
1849 in St. Georg (Vorstadt Hamburgs)
1852 in Hohenfelde (Dorf)
20.08.1859 in Barmbeck (Dorf)

In der inneren Stadt gründeten sich am 25.01.1846 der Verein der Nichtgrundeigentümer und am 24.08.1846 der Hamburger Bürgerverein.

Darstellungen der einzelnen Bürgervereine finden sich in den folgenden Kapiteln. Zunächst aber sollen hier Gemeinsamkeiten aufgezeigt und die Bedeutung der Bürgervereine für die Stadt Hamburg dargestellt werden.

In den Vereinszielen finden sich zur Zeit dieser Vereinsgründungen:

  • sich von Communal- und allen das Wohl und Wehe der Stadt betreffenden Vorkommnissen zu unterrichten und selbige zur Sprache zu bringen
  • Besprechung und gemeinschaftliche Berathung öffentlicher, communaler und vaterstädtischer Angelegenheiten
  • Förderung und Vertretung örtlicher und gesellschaftlicher Interessen
  • Wahrung und Förderung des Gemeinwohls
  • bestehenden Mängeln abzuhelfen
  • nützliche und wohlthätige Einrichtungen zu fördern
  • gemeinnützige Kenntnisse zu erwerben und mitzutheilen
  • gesellschaftliche Zusammenkünfte und Unterhaltungen
  • freundschaftliche Annäherung unter den Mitgliedernu.a.m.

Einige Bürgervereine unterhielten Bibliotheken (St. Pauli 7000 Bände, Barmbeck 5000 Bände, Altona „nicht unbedeutend“) zur unentgeltlichen Benutzung durch die Mitglieder und veranstalteten neben den vielfältigen Diskussionsveranstaltungen auch regelmäßige Leseabende.

Wohl aufgrund schlechter Erfahrungen prüften einige Bürgervereine vor der Aufnahme von Mitgliedern umständlich deren Unbescholtenheit und in Barmbeck verpflichtete man sich auf religiöse Debatten zu verzichten.

Im Revolutionsjahr 1848 zog eine Bürger-Abordnung ins Hamburger Rathaus und forderte vom Senat „Wi wüllt ok en Republik hebben!“ Der Bürgermeister antwortete: „Wat snackt ji, Lüüd, wi hebbt jo all en Republik.“ Darauf die Bürger energisch „Den wüllt wi noch een hebben!“

Diese Anekdote mag zeigen, dass die Zeit der Erbgesessenen Bürgerschaft ihrem Ende entgegen ging. Aktive aus den Bürgervereinen und ähnlichen organisierten Gemeinschaften begründeten 1848 die Constituante, die demokratische verfassungsgebende Versammlung, „unabhängig von Rath- und Bürgerschaft, und frei zu erwählen durch Stimmenmehrheit sämmtlicher mündigen Staatsangehörigen unserer Republik“.

1859 entstand auf diesem Wege die erste frei gewählte Hamburgische Bürgerschaft, die hier natürlich ebenfalls ihr eigenes Kapitel verdient.

 

Autor: Michael Weidmann

Sechstes Kapitel: St. Pauli

Zwölf Herren trafen sich am 8. März 1843 im Landhaus an der Heerstraße und gründeten den St. Pauli Bürgerverein. Der 33-jährige Kaufmann Matthias Mahlandt wurde der erste Präses.

Da alle Protokolle dieser Zeit erhalten sind, lassen sich die ersten Beratungsgegenstände berichten:

  • eine zeitgemäße Verbesserung des Vormundschaftswesens in St. Pauli
  • die schlechte Beleuchtung der Gegend vor dem Millerntor und Dammtor
  • die Anlegung eines neuen Tores zwischen diesen beiden Stadtzugängen
  • die Verbesserung des Grenzgrabens zwischen Altona und St. Pauli
  • die Beratung von Suppliken betreffs des Baugesetzes und der Grundsteuer

Vergnügungen in der Vorstadt St. Pauli um 1832, Bildnis von Peter Suhr

Der junge Verein hatte Probleme mit der geringen Beteiligung seiner Mitglieder. So musste die „Vereinsdirektion“ die Mitglieder immer wieder ermahnen von der Schweigsamkeit Abstand zu nehmen. Versammlungen waren ungenügend besucht und mussten zum Teil ausfallen. Wahrscheinlich war bürgerliche Mitwirkung gewöhnungsbedürftig. Auch in den Ämtern des Vereinsvorstandes gab es ständige Veränderungen, in den ersten 15 Jahren des Vereinsbestehens gab es 13 Präsides.

Doch bald besserte sich diese Einstellung, die Mitgliederzahl stieg bis Ende 1848 auf 162 und der Verein begann eine vielfältige Beteiligung an kommunalen Fragen. Er unterstützte die gerade errichtete Warteschule und beteiligte sich insbesondere an der Verwaltung, beschäftigte sich mit dem Armenwesen, der Anstellung eines zweiten Predigers, Verbesserungen bei der Grundsteuer und der Verbesserung der Wege vor den Toren. Mit einer Schillingsammlung unterstützte er den Turmbau von St. Nikolai.

Und schließlich brachte das Jahr 1848 die Chance, sich am Aufbau der deutschen Flotte zu beteiligen, um Deutschland gegen Dänemark zu verteidigen. 600 Mark Courant gab die Vereinskasse, Sammlungen erbrachten die insgesamt nötigen 12000 Mark Courant – und nach nur wenigen Wochen hatte der Schiffsbauer Marbs am Pinnasberg „in fliegender Hast“ ein Kanonenboot mit 32 Riemen und zwei Geschützen fertiggestellt. Unter der Führung von Kapitän Sohst ruderten 60 St. Paulianer nach Hamburg und Altona, um es den verbündeten englischen und holländischen Schiffen zu präsentieren.

Das Kanonenboot „St. Pauli“. Holzschnitt in der Zeitschrift „Reform“ 1848

Das Kanonenboot „St. Pauli“. Modell im Museum für Hamburgische Geschichte

In der Vorstadt St. Pauli stellte sich beispielgebend unter Beweis, dass bürgerliche Mitverantwortung praktisches Engagement bedeutet.

Der Spielbudenplatz auf St. Pauli um 1850, Stahlstich von Heinrich Jessen

Matthias Mahlandt blieb nicht die einzige Persönlichkeit, die aus St. Pauli für ganz Hamburg Zeichen setzte. Über ihn und seine Vereinskollegen Billerbeck, Dr. Versmann, Scholvin, Schröder und Rüter lesen Sie im 15. Kapitel unserer Dokumentation. Dr. Versmann ist so bedeutend, dass er ein eigenes Kapitel verdient. Und Präses Mahlandt schließlich findet noch einmal in der Darstellung des Hamburger Bürgermilitärs Erwähnung.

Den St. Pauli Bürgerverein gibt es noch heute. Allerdings ging mit dem plötzlichen Tod des umtriebigen und allseits präsenten „Vereins-Entertainers“ Harry H. Oest 1997 langsam auch die vorbildlich-aktive Zeit dieses Bürgervereins zu Ende. Das Andenken an Harry H. Oest hat in dieser Dokumentation ein eigenes Kapitel.

 

Autor: Michael Weidmann

Ein sehr seltenes Motiv ist dieses Gemälde von A. Köster, das die erste deutsche Flotte anno 1848 zeigt. Für eigentliche Kriegsschiffe reichte das Geld nicht, so dass unter fachmännischer Leitung und Führung einige Kauffahrer gekauft und ausgerüstet wurden.

Von links nach rechts sind unter Dampf und Segeln zu sehen: der Dampfer Hamburg, die Corvette Franklin, der Dampfer Lübeck, die Fregatte Deutschland und der Dampfer Bremen. Im Vordergrund rudert wie wild das Kanonenboot St. Pauli.