Schlagwort: Bürgervereine

Siebtes Kapitel: Bergedorf

Wie bereits beschrieben, war Bergedorf Mitte des 19. Jahrhunderts ein „Städtchen“ (das war die offizielle Bezeichnung), deren Verwaltung sich Hamburg und Lübeck teilten, bis Hamburg 1867 den lübschen Anteil mit allen landeshoheitlichen Rechten und Pflichten erwarb. Etwas mehr als 2000 Menschen lebten und arbeiteten um das Schloss herum, angebunden war Bergedorf mit der Bahn an Hamburg und Berlin.

Das Bergedorfer Schloss im Jahre 1844, Carl Martin Laeisz, Stahlstich von Jens Gray

Auf Initiative des Arztes Dr. Johann Heinrich Nölting trafen sich am 7. Oktober 1847 einige „ehrenwerte und geachtete Männer aus allen Berufen“, und konstituierten eine Woche später den Bergedorfer Bürgerverein mit 58 Gründungsmitgliedern. Erster Präses wurde Christoph Marquard Edd. Vereinszweck war zunächst „die Beförderung eines freisinnigen Bürgerthums“, das Wort „freisinnig“ wurde später gestrichen.

Wie schon der MONDSCHEIN-CLUB (siehe erstes Kapitel) traf man sich zunächst alle vier Wochen mittwochs zur Zeit des Mondscheins, damit alle Teilnehmer gut nach Hause kamen. Straßenlaternen gab es in Bergedorf noch nicht. „Freundschaftliche Besprechungen, Lektüre, Vorlesungen, Schach-, Domino-, Dame- und Kartenspiel, Gesang und dergleichen“ machten den Bürgerverein zum Anziehungspunkt für Geselligkeit in der Ortschaft.

Die Stiftung und Förderung gemeinnütziger Anstalten war erklärtes Ziel, und so war es wenige Tage nach der Vereinsgründung wiederum Dr. Nölting, der die Errichtung einer Sparkasse vorschlug. Es dauerte zunächst fast ein Jahr, bis die Zustimmungen aus Lübeck und Hamburg vorlagen, aber schließlich begann am 3. August 1850 der Geschäftsbetrieb der Sparkasse. Nach 25 Jahren Unabhängigkeit ging sie 1874 in den Besitz der „Stadt Bergedorf“ über und wurde als „Städtische Sparkasse Bergedorf“ schließlich 1937 mit der „Hamburger Neuen Sparcasse von 1864“ vereinigt.

Hamburg-Bergedorfer-Eisenbahnhof um 1843, Wilhelm Heuer

Dr. Nölting machte erneut von sich reden, als er im Februar 1848 die Gründung eines Schützenvereins initiierte. Der Bürgerverein beteiligte sich am Aufbau einer Bergedorfer Bürgerwehr und stellte aus seinen Reihen den Hauptmann Dr. Bülow. Weiterhin beteiligte er sich maßgeblich am Aufbau demokratischer Strukturen in Bergedorf, förderte den Aufbau einer Bibliothek und unterstützte den Bau einer Bahn nach Geesthacht und Zollenspieker.

1891 stiftete der Bergedorfer Bürgerverein ein Denkmal für Kaiser Wilhelm I. Im folgenden Jahr legte er den Grundstock für eine Heimatsammlung, die 1953 in das Eigentum des Staates überging und danach als „Museum für Bergedorf und die Vierlande, Außendienststelle des Museums für hamburgische Geschichte“ weitergeführt wurde.

Den Bergedorfer Bürgerverein gibt es noch heute. Allerdings dokumentiert die Vereinshomepage aktuell nur noch wenige (fast ausschließlich gesellige) Aktivitäten. Die Heimatsammlung bildete offenbar die Basis für diverse Zusammenstellungen im Internet und in gedruckter Form.

Mit dem Vereinsvorsitz von Christa Timmermann geht dieses 170 Jahre alte, wertvolle Engagement demnächst zuende. Zum 31. Dezember 2017 ist die Vereinsauflösung beschlossen, obwohl zuletzt 220 Mitglieder zu verzeichnen waren.

 

Autor: Michael Weidmann

Achtes Kapitel: Vor dem Dammtor

Dort, wo es „scheun greun but’n Dammdoor“ war trafen sich am 10. Februar 1848 auf Einladung des Herrn Carl Tiecke im Lokal des Landvogtes Hartmann am „rothen Baum“ mehrere vor dem Dammtor wohnende Bürger und beschlossen die Gründung eines Bürgervereins. Nach den erhaltenen Protokollen sollte dieser zunächst „Concordia“ heißen, nach Diskussion wählte man dann jedoch den Namen „Bürgerverein außerhalb Dammthors“.

Landhäuser bei Harvestehude an der Alster 1857, Wilhelm Heuer

Das Vereinsgebiet reichte von der Alster bis zur Sternschanze, vom Dammtor an der Stelle des heutigen Stephansplatzes über das brachliegende Vorstandgelände nach Norden. Hier entwickelten sich die heutigen Stadtteile Harvestehude (benannt nach dem ehemaligen Kloster) und Rotherbaum (benannt nach dem roten Schlagbaum einer Zollschranke). „Pöseldorf“ war lediglich ein Ulkname.

Alster-Glacis (vor dm Dammthore) 1861, Wilhelm Heuer

Anders als in St. Pauli und Bergedorf standen nicht einheitliche politische Ansichten im Vordergrund dieses Zusammenschlusses, sondern „das wahre Wohl, das Nützliche der Umgegend, die Verhütung von Verarmung, die Verbreitung gemeinnütziger Kenntnisse und die Vereinigung zu geselligen, rein sittlichen Vergnügungen und Erholungen“. Die „Verhütung der Verarmung“ betraf die Besiedelung dieser brachliegenden Gegend durch diejenigen Hamburger, die beim Großen Brand 1842 obdachlos geworden waren.

Dammthor, Esplanade und Vorstadt St. Georg um 1835, Steindruck von Nestler & Melle

Besonders hübsch ist die Vereinsregel, nach der Zuspätkommen und Früherkommen bei den Versammlungen bestraft wurden. Ebenso musste Strafe gezahlt werden, wenn man in ein Vereinsamt gewählt wurde und diese Wahl nicht annahm.

Bildunterschrift: Aussicht vom Wall auf Dammtor und Esplanade 1830, Peter Suhr

Trotz seiner erklärten politischen Abstinenz nahm der neue Bürgerverein an den Ereignissen des Jahres 1848 regen Anteil und verabschiedete eine Adresse, mit der man Stimmrecht und Repräsentation in Rat und Bürgerschaft verlangte. Dann allerdings wurde man vorsichtig, um nicht polizeilich überwacht zu werden, und beschränkte sich auf regionale Fragen.

Das Landhaus von Th. Dill um 1860 (heute Grindelhof), Wilhelm Heuer

Hierunter war der Wunsch nach Einrichtung einer Apotheke in der Gegend vor dem Dammtor, der auf Umwegen 1850 realisiert werden konnte. Weiterhin bekümmerte man sich um die bessere Herrichtung und Beleuchtung der Wege in der Grindelgegend. 1849 eröffnete der Verein eine Warteschule für sechs Kinder in einem gemieteten Haus. Auch die Gründung der „Sparcasse vor dem Dammtor“ war ein Anliegen des jungen Bürgervereins.

Mit der Wahl zur neuen Bürgerschaft 1859 wurde der Verein wiederum auch politisch aktiv und stellte erfolgreich zwei Kandidaten auf: den Vereinsvorsitzenden Maurermeister Johannes Heinrich Christopher Schacht und den Makler Carl Johann Theodor Röper (siehe dazu das 15. Kapitel).

Erneut machte der Bürgerverein vor dem Dammtor in den 1860er-Jahren von sich reden, weil er sich bemühte die Bedeutung der Gegend aufzuwerten. Man berief eine Bürgerversammlung für die Region einschließlich Eppendorf, Eimsbüttel und Lokstedt ein, forderte die Übernahme der Straßenbeleuchtung und der Nachtwachen durch die Stadt und schließlich das Ausscheiden aus der Landgemeindeordnung und die Bildung einer Vorstadt vor dem Dammtor, gleichberechtigt mit St. Pauli und St. Georg. Auch sorgte der Bürgerverein für eine Sicherheitswache, die das ganze Jahrzehnt bis 1871 Bestand hatte. Eifrig engagierte man sich beim Anschluss an die Stadtwasserkunst, beim Bau der Sielanlagen, der Besprengung der Straßen sowie der Verbesserung des Abfuhrwesens und der Omnibus-Verbindungen.

Den Bürgerverein vor dem Dammtor/Pöseldorf gibt es noch heute. Der zum 125-jährigen Jubiläum 1973 eingeführte und seitdem zweimal jährlich durchgeführte „Flohmarkt am Turmweg“ ist zu einer festen Institution für den Stadtteil Harvestehude/Rotherbaum geworden. Auch das vierteljährliche Erscheinen der „Dammtor-Zeitung“ ist ein sichtbares Zeichen seines Engagements.


Autor: Michael Weidmann, mit Unterstützung von Günther Holst

 

Grußwort zum 150. Vereinsjubiläum in der Dammtor-Zeitung September 1998

Erstes Kapitel: Inhalte und Aufgaben

Wer in Geschichtsbüchern nach dem Begriff „Bürgerverein“ sucht, findet die unterschiedlichsten Interpretationen. Tatsächlich hat dieses Wort im Laufe der Geschichte verschiedenste Inhalte gehabt – so wie heute noch die Schwerpunkte der Betätigung von Verein zu Verein variieren.

Frühester und vornehmster Zweck der Bürgervereine war die „Verbreitung der allgemeinen Bildung“, sowohl auf politischem Gebiet, als auch in den Bereichen der Geselligkeit und des geistigen Lebens. Bereits in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstanden unter diesen „Bildungsvereinen“ auch solche, die erklärtermaßen politische Zwecke zu erreichen suchten.

Der MONDSCHEIN-CLUB etwa befasste sich mit den kommunalen Angelegenheiten der Dorfschaft Eimsbüttel. Der Verein tagte immer dann, wenn Mondschein im Kalender verzeichnet war. Die Mondscheinbrüder waren auf das Wohl der engeren Heimat bedacht, waren stets auf Kontaktsuche und sehr aktiv. Als Abzeichen trugen sie einen silbernen Halbmond. In seinen Veröffentlichungen meldete sich der Verein als „Mondschein-Staat“.

Solch politisches Engagement färbte bald auch auf die reinen Bildungsvereine ab. Bewegte Zeiten machten es erforderlich, dass der hansische Ausspruch „Stadtluft macht frei!“ von den Bürgern selbst mit mehr Leben gefüllt wurde. Schwere Zeiten für die Hamburger (Kriege, Epidemien, Brände und andere Katastrophen) zeitigten jeweils spontanes gemeinschaftliches Engagement. Und so wird in dieser Abhandlung auch darzustellen sein, dass sich die GRÜNDUNGSPHASEN der Hamburger Vereine an den Kriegen und Notständen orientierten, bei denen die Mitwirkung der organisierten Gemeinschaften jeweils von herausragender Bedeutung gewesen sind.

Innerhalb kurzer Zeit gab es keine Bürgervereine als reine Bildungsvereine mehr. Die Volksbildung blieb ein Zweig der Betätigung, neben dem das Engagement auf politischem, kommunalem, wirtschaftlichem und sozialem Gebiet gleichbedeutend einherging.

Autor: Michael Weidmann

Zweites Kapitel: Namen und Begriffe

Die ersten wirklich als „Bürgerverein“ firmierenden Vereine entstanden 1833 in Bamberg und 1837 in Lübeck. Zu dieser Zeit bestanden der Hamburger Mondschein-Club und andere schon viele Jahre.

Auch in der weiteren Geschichte musste sich ein Verein nicht „Bürgerverein“ nennen, um eindeutig zu diesen zu gehören. Heute noch gibt es traditionsreiche Vereinsnamen, in denen neben dem Begriff „Bürgerverein“ auch der „Heimatverein“, der „Kommunalverein“, der „Einwohnerverein“ und alle denkbaren Kombinationen dieser Bezeichnungen zu finden sind. Natürlich ist – nur zum Beispiel – auch der „Verein der Hamburger“ ein Bürgerverein im eigentlichen Sinn.

Vielfach kam es in der Geschichte vor, dass sich Bürgervereine miteinander verbanden; so entstanden Vereinsnamen mit mehreren Stadtteilen. Auch gründeten sich zum Teil mehrere Vereine in ein und demselben Stadtteil. Und schließlich wurden sogar außerhamburgische, zumeist politisch gleichgesinnte Vereine etwa in die Zentralverbände aufgenommen.

Abzugrenzen sind die Bürgervereine von solchen Zusammenschlüssen, die zwar kommunale Zwecke verfolgen, dies aber in der Hauptsache zum Wohle eines bestimmten Standes tun (Gewerbevereine, berufsständische und gewerkschaftliche Vereinigungen). Auch die Grundeigentümervereine, mit denen zusammen die Bürgervereine der Stadt Hamburg zur Demokratie verhalfen – wie hier natürlich noch zu lesen sein wird –, sind naturgemäß keine Bürgervereine. Gleichwohl verbindet gerade diese Beiden eine traditionsreiche und enge Beziehung zum Wohle der Stadt.

Bürgervereine sind also ursprünglich Zweckvereinigungen zur Wahrung der politischen, kommunalen, wirtschaftlichen und sozialen Interessen einer Gemeinde oder eines Bezirks einer Gemeinde. Heute spielen daneben auch kulturelle Angebote und die Pflege der Geschichte und Traditionen durch die Bürgervereine eine wichtige Rolle für die Identifikation der Menschen mit ihrem Stadtteil oder der ganzen Stadt.

 

Autor: Michael Weidmann

Drittes Kapitel: Was ist ein Bürger?

Das hamburgische Bürgerrecht entwickelte sich über Jahrhunderte. 1483 wurde erstmals ein Bürgerrecht festgelegt. Es war Voraussetzung

  • um am politischen Leben teilzunehmen
  • um eine wirtschaftliche Tätigkeit (Beruf) auszuüben
  • um Grundeigentum zu erwerben
  • um einen bürgerlichen Wohnsitz zu gründen und zu heiraten
  • um Mitglied der „Erbgesessenen Bürgerschaft“ zu werden

Die Bedingungen und der Weg zur Erlangung des Bürgerrechts waren umfänglich:

  • mindestens 22 Jahre alt
  • mit einwandfreiem Leumundszeugnis
  • christliche Konfession
  • in Waffen geübt
  • ggf. Verzicht auf Adelsrechte
  • Vorlage des Taufscheines vor dem ältesten Senator der Deputation
  • Zahlung einer Gebühr
  • Eidesformel vor dem Ersten Bürgermeister

Jeder dieser Punkte ist für sich erläuterungsbedürftig, was aber zunächst den Rahmen dieser Darstellung sprengen würde.

Unvermögende Einwohner Hamburgs und Fremde konnten stattdessen gegen Gebühr in die Schutzgemeinschaft aufgenommen werden. Dies ermöglichte ihnen immerhin die Ausübung eines Berufes.

Zur Zeit der Gründung der Bürgervereine Mitte des 19. Jahrhunderts war das Bürgerrecht dreigeteilt:

Der GROSSBÜRGER durfte Handel treiben, offene Läden, Buden und Kellerlager unterhalten, die Große Waage benutzen, ein Konto bei der Hamburger Bank haben und Grundbesitz erwerben.

Der KLEINBÜRGER durfte Kleinhandel oder ein Handwerk betreiben.

Der LANDBÜRGER wohnte im Landgebiet und besaß hier Grundeigentum.

Diese Regelungen galten bis 1870. Danach wurde die Staatsangehörigkeit durch Geburt erworben oder auf Antrag zuerkannt. Die Verleihung des Bürgerrechts war im Allgemeinen an die fünfjährige Versteuerung eines Einkommens über 1200 Mark geknüpft.

Die verschiedenen Bürgerrechte werden durch die Bürgerbriefe dokumentiert, von denen sich viele erhalten haben.

 

Autor: Michael Weidmann

Viertes Kapitel: Hamburg und St. Pauli in der Gründungszeit der Bürgervereine

Bürgervereine gründeten sich in Hamburg seit 1843. Es macht Sinn sich die damalige Zeit, die politischen Umstände und die Lebensverhältnisse der Menschen vor Augen zu führen.

Richten wir den Blick nach St. Pauli, wo der erste Hamburger Bürgerverein gegründet wurde. St. Pauli war kein gleichberechtigter Teil Hamburgs, sondern Vorstadt unter dem Patronat eines Hamburger Senators („wohlweiser Landherr“). Der gültige Flurname der Gegend lautete „Hamburger Berg“. Aus Sicht der hamburgischen Festungskannoniere war dies militärisches Vorland und hatte freies Schussfeld zu bleiben, weshalb Häusergruppen nur am Elbufer und an der Grenze zu Altona (Nobistor) erlaubt waren.

Anfang des 19. Jahrhunderts war Hamburg von Napoleons Truppen besetzt und St. Pauli war eine französisch verwaltete Kommune. Um freies Schussfeld zu haben, ließen die Franzosen im Westen der Stadt 841 Häuser, 108 Werkstätten und Fabriken und viele Säle und Buden zerstören. Schließlich wurde die gesamte Vorstadt auf französischen Befehl niedergebrannt und sogar der Pesthof evakuiert. Ausführlich ist diese Geschichte dargestellt unter „Hintergründe“: Vertreibt die Franzosen!

Wir wissen, es gelang Bennigsen die Franzosen aus Hamburg zu vertreiben. Napoleon wurde 1815 nach seiner Rückkehr von Elba bei Waterloo von Wellington und Blücher endgültig geschlagen. Die wieder freie Stadt Hamburg atmete auf und regenerierte sich nach der Besatzung – bis 1842 der Hamburger Brand als nächster Schicksalsschlag die Hamburger heimsuchte. Große Teile der Innenstadt zwischen der Deichstraße und „Brandsende“ wurden vollkommen zerstört. Das Alte Rathaus musste gesprengt werden, um das Feuer aufzuhalten. 20.000 Menschen wurden obdachlos. Viele fanden in den Vorstädten wie St. Pauli eine neue Heimat. Die Geschichte des Hamburger Brandes lesen Sie unter „Hintergründe“: Hamburg brennt!

Aussicht von der Elbhöhe (Stintfang) über die Vorstadt St. Pauli und Altona, nach der Natur gezeichnet von C. A. Lill, Stahlstich von Joh. Poppel

Nach der Katastrophe machte sich die gesamte Gesellschaft an den Wiederaufbau. Aber neben den vielen positiven Kräften wurde auch Widerstand und Kritik gegen den obrigkeitlich regierenden Senat laut. Auch die St.-Paulianer wünschten sich ausreichende Wasserleitungen und moderne Feuerspritzen.

Seit 1833 hieß die Gegend um den Hamburgerberg „St. Pauli Vorstadt“. Die dort lebenden „reglementsmäßig erbgesessenen Stadtbürger“ durften an den Sitzungen der Erbgesessenen Bürgerschaft in Hamburg teilnehmen, hatten aber im Übrigen kaum Rechte. Dagegen hatten sie seit 1836 die Pflicht im Bürgermilitär zu dienen, wofür 1837 ein neues (achtes) Bataillon für St. Pauli organisiert wurde. Für St. Pauli wurde nach dem Brand die Grundsteuer weitaus stärker angehoben, als z. B. für die andere Vorstadt St. Georg und die innere Stadt. Und schließlich wurden die St. Paulianer 1838 mit einer Nachtwachensteuer zusätzlich belastet.

In dieser Situation also gründete sich der erste Hamburger Bürgerverein.

 

Autor: Michael Weidmann

Präses Dr. ROLF WEISE

Rolf Weise wurde am 4. Mai 1907 in Hamburg geboren, besuchte das Johanneum und studierte dann in Marburg Rechtswissenschaften. 1932 promovierte er und ließ sich dann in Hamburg 1934 als Anwalt für Handels- und Schifffahrtsrecht nieder. 1953 wurde er für den Hamburg-Block Mitglied der Hamburgischen Bürgerschaft.

1937 wurde Dr. Rolf Weise Mitglied des Bürgervereins zu St. Georg und 1947 dessen Erster Vorsitzender. Auch im Hamburger Hafenverein übernahm er diese Aufgabe. Als Delegierter zum Zentralausschuss Hamburgischer Bürgervereine machte er bald von sich reden. Er wurde in den Vorstand gebeten und trat im April 1953 das Amt des Präses an. Zwei Jahre später wurde auf seine Initiative der in Hamburg Verband Deutscher Bürgervereine gegründet und auch hier übernahm er die Präsidentschaft.

Am 1. März 1965 starb Dr. Rolf Weise im Alter von nur 57 Jahren plötzlich und unvermutet. Er hatte intensiv gelebt, das Leben mit allen Fasern genossen, war dabei ein unermüdlicher Motor, dessen Zeiger am Manometer allerdings stets um die Gefahrengrenze spielte.

Fast zwölf Jahre war Dr. Rolf Weise das Oberhaupt der Bürgervereine und wurde in der Geschichte des Verbandes später nur von Michael Weidmann übertroffen, der den Zentralausschuss 22 Jahre lang führte. Eine so lange Zeit prägt die Arbeit und das Image, steigert aber auch die Anforderungen und Erwartungen.

Dr. Rolf Weise war eloquent, vital und aktiv, parlamentarisch konziliant und humorvoll. Seine Gesprächspartner erlebten ihn mal gutmütig, mal jovial, mal sarkastisch pointiert, mal ernsthaft und mal salopp süffisant. Er war ein begabter Redner und ein kameradschaftlicher Ehrenamtlicher. Es gab niemanden, der wie er zugleich mitten in den Dingen und dennoch darüber stand, niemanden, der das Bürgertum wie er repräsentieren konnte.

Hamburg und die Bürgervereine erwarteten den Einsatz von Dr. Rolf Weise, sie waren ihn gewohnt. Dass seine Lebenskraft plötzlich versiegen könnte, passte nicht zu dem Bild dieser Persönlichkeit. Die vielen Vereinigungen und Ehrenämter, die nicht ihn trugen, sondern die er trug, wurden ihm schließlich zu viel. Dr. Rolf Weise war geistesgegenwärtig und immer auf der Hut, nur mit sich selber nicht. Es wusste das rechte Wort zur rechten Zeit. Nur gegen sich selber nicht.

Dr. Rolf Weise lebte als Bürger staatstragend und war Vorbild für den Gedanken, der den Bürgervereinen innewohnt. Seine Leistung bleibt in der Geschichte und im Herzen derer erhalten, die nach ihm kamen.

Es wird auf dieser Homepage viele seiner Leistungen zu dokumentieren geben.

Autoren: Michael Weidmann, auch nach Aufzeichnungen von Jürgen W. Scheutzow und Focko Thomas


Haben Sie weitere Erinnerungen an Dr. Rolf Weise oder Dokumente seines Wirkens? Dann freuen wir uns, wenn Sie sich mit uns in Verbindung setzen und uns diese zur Verfügung stellen mögen.

Vicepräses INGO METZE

Ingo Metze wurde am 17. März 1924 geboren. Nach seinem juristischen Studium gehörte er einer bedeutenden Anwaltskanzlei in Altona an.

In seinem Stamm-Bürgerverein in Altona übernahm er 1975 den Vorsitz und führte den Verein bis 1982 durch sieben schwierige Jahre. Sein Herzensanliegen war die Mitverantwortung im Stadtteil. Daneben engagierte sich Ingo Metze jahrzehntelang für die Völkerverständigung Ost-West und führte insbesondere nach Hamburgs Partnerstadt Leningrad aktive freundschaftliche Beziehungen.

Im Zentralausschuss Hamburgischer Bürgervereine war er ab 1982 als Vicepräses aktiv, bis ihn seine Gesundheit veranlasste kürzer zu treten. Kurz vor seinem Tod ernannte ihn die Gemeinschaft zum Ehrenmitglied des Vorstandes. Es ist gut, dass Ingo Metze diese Anerkennung seines Wirkens erleben durfte.

Ingo Metze war den Bürgervereinen und allen Aktiven ein kompetenter Ratgeber in juristischen und sonstigen fachlichen Fragen. Insbesondere beurteilte er gern unterschiedlichste Möglichkeiten der Lösung für ein Problem oder eine Entwicklung. Dabei legte er in den Gremien großen Wert auf eine harmonische Arbeit und den freundschaftlichen Umgang miteinander.

Am 13. Juli 1991 ging Ingo Metze von uns. Er wurde 67 Jahre alt.

Auf seinen ausdrücklichen Wunsch hin wurde Ingo Metze im engsten Familienkreis beigesetzt. Notar Dr. Schlie und seine Kollegen Rechtsanwälte Dr. Petersen, Schlie-vom Ende, von Appen und Hendrikman Verstegen gedachten seiner. Seine Amtsnachfolger im Ehrenamt – Michael Weidmann als Geschäftsführender Vicepräses des Zentralausschusses Hamburgischer Bürgervereine und Wolfgang Vacano als Vorsitzender des Altonaer Bürgervereins – gedachten Ingo Metze mit den Mitgliedern in Verband und Verein.

In der Erinnerung war Ingo Metze ein Vorbild für Kompetenz und den Umgang miteinander. Er machte Mut sich zu engagieren. Und er verkörperte die Würde und den Stolz des Ehrenamtes im Einsatz für unsere Stadt.

Autor: Michael Weidmann


Haben Sie weitere Erinnerungen an Ingo Metze oder Dokumente seines Wirkens? Dann freuen wir uns, wenn Sie sich mit uns in Verbindung setzen und uns diese zur Verfügung stellen mögen.

Präses GÜNTHER GLATZ

Günther Glatz wurde am 1. September 1923 in Breslau geboren. Nach Kriegsdienst, Gefangenschaft und anschließendem Studium trat er 1954 als Lehrer in den Hamburger Schuldienst ein und wurde 1969 Studienrat an Sonderschulen. Von 1982 bis zu seiner Pensionierung 1988 war er Leiter einer Förderschule.

Von 1970 bis 1978 gehörte Günther Glatz für die F.D.P. der Hamburgischen Bürgerschaft an, von 1974 bis 1978 war er dort Vorsitzender des Umweltausschusses. Seine politischen Schwerpunkte waren die Umwelt-, Kultur-, Schul- und Bildungspolitik. Günther Glatz engagierte sich insbesondere für die Gründung der Technischen Universität als Mitglied der Gesellschaft zur Förderung der Hochschuleinrichtungen in Hamburg-Harburg. Insbesondere diese Leistung würdigte der Senat mit der Verleihung der Medaille für treue Arbeit im Dienste des Volkes, die Günther Glatz eine Woche vor seinem Tode 1990 entgegen nehmen konnte.

Als Vorsitzender des Bürgervereins Wilhelmsburg kam Günther Glatz zum Zentralausschuss Hamburgischer Bürgervereine, wo er zunächst Vicepräses und 1982 bis zu seinem Tode als Präses vorbildlich wirkte. Günther Glatz ist einer der drei Präsides des Zentralausschusses, denen die damalige Gemeinschaft der Bürgervereine unserer Stadt ihr Gepräge und ihre Reputation verdankt. Hans Iska-Holtz, Günther Glatz und Michael Weidmann sind sozusagen die „Väter“ des Hamburger Bürgertages und eines großen Netzwerkes von Verbindungen und Anerkennung. Günther Glatz schuf den „Portugaleser Bürger danken“, dessen Funktion und Verleihung in dieser Dokumentation natürlich angemessen umfassenden Raum einnehmen wird.

Die Erinnerung an Günther Glatz ist in erster Linie eine persönliche. Ich möchte deswegen persönliche Gedanken an diesen großen Bürgervereinsvertreter in den Vordergrund stellen. Ich traf Günther Glatz erstmals 1985 auf mehreren Veranstaltungen. Nachdem ich im gleichen Jahr Abgeordneter im Zentralausschuss Hamburgischer Bürgervereine geworden war, fragte er mich, ob ich Interesse hätte seine ehrenamtliche Arbeit zu begleiten. So übernahm ich nach einiger Zeit in meiner Freizeit die Verantwortung für die Geschäftsstelle im Großen Burstah 36/38 und begleitete den Präses zu vielen Terminen.

Die Abgeordnetenversammlung wählte mich in den Verbandsvorstand, wo ich einige Jahre lang als Schriftführer die Protokolle führen durfte. Dann erkrankte Günther Glatz und das Präsidium, allen voran die Ehrenpräsides Hans Iska-Holtz und Jürgen W. Scheutzow, baten mich 1998 – erstmals in der Geschichte des Verbandes – neben dem Präses als „geschäftsführendes Präsidiumsmitglied“ zu fungieren. So führte ich in enger Abstimmung mit Günther Glatz die Geschäfte.

Je mehr Günther Glatz im Laufe des nächsten Jahres die Kraft verließ, umso stärker wurden unsere Treffen privat. Wichtiger als seine „Amtsgeschäfte“ war es ihm, vor seinem Heimgang seine Überzeugungen weiterzugeben. Die letzten Abende vor seinem Tode in seinem Haus auf dem Deich am Stillhorner Weg sind mir unauslöschlich in besonderer Erinnerung.

Günther Glatz war für mich Mentor und Vorbild. Als sein Protegé konnte ich fünf Jahre lang Eindrücke und Erfahrungen sammeln, sozusagen „Bürgerverein lernen“. Vor allem aber durfte ich erfahren, was Günther Glatz dachte, was seine Vorstellungen und Fähigkeiten waren diese in die Tat umzusetzen. Günther Glatz war sicherlich nach Dr. Rolf Weise der stärkste Motor für die gemeinsame Sache der Hamburger Bürgervereine in der Funktion des Präses. Es wird in dieser Dokumentation noch viel von seinen Ideen und Aktivitäten zu lesen geben.

Günther Glatz lehrte uns, dass Parteipolitik und Bürgervereinsarbeit unvereinbar sind. Mit dem Amtsantritt als Präses legte er deswegen alle Parteiaufgaben nieder. Günther Glatz kannte und lebte das Selbstverständnis der Bürgervereine und die strikte Selbstverpflichtung zur Überparteilichkeit. Niemals dürfen politische Parteigänger für die Gemeinschaft der engagierten Bürger sprechen. Niemals dürfen Vertreter von Partikularinteressen ihre persönliche Bedeutung dadurch aufzuwerten suchen, dass sie vorgeblich für alle Menschen sprechen. Nur Persönlichkeiten, die sich dieser grundsätzlichen Überzeugung, dem Bürgervereinsgedanken in seiner ursprünglichen Form verschreiben, können erfolgreich Bürgerbeteiligung demonstrieren und vorleben. Von 1886 bis 2012 hat sich diese Überzeugung erhalten – vor allem dank solcher Persönlichkeiten wie Präses Günther Glatz.

Günter Glanz im Amt

Günther Glatz war sozial, einfühlsam und sensibel, dabei unbeirrbar in seinen Vorstellungen und unverbrüchlich in seiner Freundschaft. Er war überzeugter Christ und brachte dies in kleinen handschriftlichen Gedanken und Erinnerungen zum Ausdruck. Er war kunstsinnig und liebte alles Schöne. Dabei war er ein Sportler und Abenteurer in seiner Freizeit, was er mit einem auffälligen geländegängigen Auto genauso zeigte, wie mit Kleidung aus Fernost, die er nach Rückkehr von seinen Reisen in der Abgeordnetenversammlung präsentierte. Einer seiner letzten Sätze war, dass er ein glückliches Leben leben durfte und sein Haus bestellt habe. Damit meinte er nicht zuletzt die Gewissheit, dass die Arbeit des Zentralausschusses Hamburgischer Bürgervereine in seinem Gedanken weitergeführt werden würde.

Günther Glatz starb am 11. November 1990 an seinem grausamen Krebsleiden, erlöst aus einem Zustand, der seiner nicht mehr würdig war und unter dem die sonst so extrovertierte Persönlichkeit unsagbar litt. Günther Glatz wurde 67 Jahre alt. Senat und Bürgerschaft, viele Repräsentanten von Vereinen und Verbänden, Parteien und Institutionen kondolierten. Die Presse berichtete umfassend. Für die hamburgischen Bürgervereine gedachten Ehrenpräses Hans Iska-Holtz, die Vorsitzende des Hauptausschusses Wera Tränckler und der Geschäftsführer Michael Weidmann für den Vorstand dem verstorbenen Freund und Weggefährten.

Mit Günther Glatz ging ein erfülltes Bürgervereinsleben zu Ende. Es war der Keim für die nächsten 20 Jahre erfolgreicher Bürgervereinsarbeit in unserer Stadt.

 

Autor: Michael Weidmann

Günther Glatz schrieb bereits im Jahre 1968 für das Verbandsorgan des Zentralausschusses Hamburgischer Bürgervereine einen Aufsatz über seinen Besuch vom 90. Geburtstag von Hermann Claudius. Diese Autorenschaft verdankte er der Bekanntschaft mit Präses Jürgen W. Scheutzow. Dies ist ein besonders seltenes Dokument, weil es sehr frühe Aktivitäten von Günther Glatz belegt.


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Schatzmeister FRITZ ROTTER

Fritz Rotter wurde am 6. Mai 1920 geboren. Als anerkannter Steuerberater war er zunächst im Vorstand der Kammer der Steuerbevollmächtigten in Hamburg und in anderen Gremien des Berufsstandes ehrenamtlich tätig.

Als Mitglied des Hamburger Hafenvereins wurde Fritz Rotter in den Zentralausschuss Hamburgischer Bürgervereine delegiert. Später setzte er diese Arbeit als Delegierter des Bundes der Steuerzahler fort. Von 1982 bis zu seinem plötzlichen Tod 1991 stand er dem Verband als Erster Schatzmeister zur Verfügung. Fritz Rotter prägte dieses Amt in seiner stets korrekten und zuverlässigen, dabei aber vornehmen und unaufdringlichen Art. Bei seinem Heimgang war er das dienstälteste und erfahrenste Mitglied der Verbandsführung.

Viele erfolgreiche Verbandsführungen bestehen aus einem bewährten Zweiergespann. Das Team aus Präses Günther Glatz und Schatzmeister Fritz Rotter war ein Vorbild dafür – der Eine ideenreich und visionär, der Andere bedächtig und auf eine sichere Entwicklung bedacht. Fritz Rotter war sozusagen das Regulans für „seinen“ Präses. Allzu weitgehende Vorstellungen wurden von ihm gebremst und mit großer Sorgfalt überdacht. Günther Glatz schätzte sich glücklich einen solch besonnenen Wegbegleiter zu haben. In mancher Sitzung hörte man ihn zunächst stöhnen, wenn Fritz Rotter das Wort ergriff, und dann sah man den Präses nicken, nachdem er gehört hatte, was der Schatzmeister zu sagen hatte.

Am 29. April 1991 war die jährliche Hauptversammlung des Zentralausschusses. Die weit über 100 anwesenden Abgeordneten freuten sich auf die stets launigen und dabei hoch kompetenten Berichte ihres Schatzmeisters Fritz Rotter – der allerdings nicht erschien. So ging der Geschäftsführende Vicepräses Michael Weidmann zur Telefonzelle und erfuhr von Elfi Rotter: „Herr Weidmann, mein Mann kann nicht kommen, er ist heute verstorben“.

Innerhalb eine halben Jahres verlor der Verband mit Präses Günther Glatz, Ehrenpräses Hans Iska-Holtz und Schatzmeister Fritz Rotter drei seiner bedeutendsten Führungskräfte. Die Erschütterung und die Trauer waren groß.

Fritz Rotter wurde 70 Jahre alt. Auf seinen eigenen Wunsch fand die Trauerfeier im engsten Familienkreis statt. Karl-Heinz Mittelsteiner als Präsident der Steuerberaterkammer Hamburg und der Zentralausschuss Hamburgischer Bürgervereine gedachten Fritz Rotter mit den Mitgliedern.

Fritz Rotter war in der Erinnerung ein Vorbild für Zuverlässigkeit und Besonnenheit. Er war ein kompetenter Amtsträger der alten Schule. Er zeigte nicht zuletzt, dass die Arbeit im Team und die kritische Auseinandersetzung kein Widerspruch sind, wenn es allen Beteiligten um die Sache geht.

Autor: Michael Weidmann


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