Fünftes Kapitel: Die erste Gründungsphase ab 1843

Am 8. März 1843 gründete sich der erste Hamburger Bürgerverein in der Vorstadt St. Pauli. Es spricht für den Willen der Menschen in Hamburg gleichberechtigt behandelt zu werden und an den Segnungen der wachsenden Stadt teilzuhaben, dass sich auch die folgenden Bürgervereine rund um die eigentliche Stadt herum konstituierten:

08.03.1843 in St. Pauli (Vorstadt Hamburgs)
1846 in Altona (Dänemark)
07.10.1847 in Bergedorf (sog. Städtchen unter der Verwaltung von Hamburg und Lübeck)
10.02.1848 vor dem Dammtor (Hamburger Vorland)
April 1848 in Wandsbeck (Dänemark)
01.06.1848 in Altona (Dänemark)
1848 in Cuxhaven (hamburgischer Außenposten)
1848 in Barmbeck (Dorf)
1848 in Hohenfelde (Dorf)
1849 in Hamm (Dorf)
1849 in St. Georg (Vorstadt Hamburgs)
1852 in Hohenfelde (Dorf)
20.08.1859 in Barmbeck (Dorf)

In der inneren Stadt gründeten sich am 25.01.1846 der Verein der Nichtgrundeigentümer und am 24.08.1846 der Hamburger Bürgerverein.

Darstellungen der einzelnen Bürgervereine finden sich in den folgenden Kapiteln. Zunächst aber sollen hier Gemeinsamkeiten aufgezeigt und die Bedeutung der Bürgervereine für die Stadt Hamburg dargestellt werden.

In den Vereinszielen finden sich zur Zeit dieser Vereinsgründungen:

  • sich von Communal- und allen das Wohl und Wehe der Stadt betreffenden Vorkommnissen zu unterrichten und selbige zur Sprache zu bringen
  • Besprechung und gemeinschaftliche Berathung öffentlicher, communaler und vaterstädtischer Angelegenheiten
  • Förderung und Vertretung örtlicher und gesellschaftlicher Interessen
  • Wahrung und Förderung des Gemeinwohls
  • bestehenden Mängeln abzuhelfen
  • nützliche und wohlthätige Einrichtungen zu fördern
  • gemeinnützige Kenntnisse zu erwerben und mitzutheilen
  • gesellschaftliche Zusammenkünfte und Unterhaltungen
  • freundschaftliche Annäherung unter den Mitgliedernu.a.m.

Einige Bürgervereine unterhielten Bibliotheken (St. Pauli 7000 Bände, Barmbeck 5000 Bände, Altona „nicht unbedeutend“) zur unentgeltlichen Benutzung durch die Mitglieder und veranstalteten neben den vielfältigen Diskussionsveranstaltungen auch regelmäßige Leseabende.

Wohl aufgrund schlechter Erfahrungen prüften einige Bürgervereine vor der Aufnahme von Mitgliedern umständlich deren Unbescholtenheit und in Barmbeck verpflichtete man sich auf religiöse Debatten zu verzichten.

Im Revolutionsjahr 1848 zog eine Bürger-Abordnung ins Hamburger Rathaus und forderte vom Senat „Wi wüllt ok en Republik hebben!“ Der Bürgermeister antwortete: „Wat snackt ji, Lüüd, wi hebbt jo all en Republik.“ Darauf die Bürger energisch „Den wüllt wi noch een hebben!“

Diese Anekdote mag zeigen, dass die Zeit der Erbgesessenen Bürgerschaft ihrem Ende entgegen ging. Aktive aus den Bürgervereinen und ähnlichen organisierten Gemeinschaften begründeten 1848 die Constituante, die demokratische verfassungsgebende Versammlung, „unabhängig von Rath- und Bürgerschaft, und frei zu erwählen durch Stimmenmehrheit sämmtlicher mündigen Staatsangehörigen unserer Republik“.

1859 entstand auf diesem Wege die erste frei gewählte Hamburgische Bürgerschaft, die hier natürlich ebenfalls ihr eigenes Kapitel verdient.

 

Autor: Michael Weidmann